Paul Ben-Haim
Symphony No. 2
cpo 777 677-2
1 CD • 72min • 2010
27.04.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Paul Ben-Haim (1897-1984) wurde als Paul Frankenburger in München geboren und studierte dort Dirigieren und Komposition, war Assistent von Bruno Walter und später 1. Kapellmeister in Augsburg. Bereits vor der Emigration 1933 nach Palästina hatte er sich mit dem großangelegten Oratorium Joram zu seinen jüdischen Wurzeln bekannt. Doch erst dort – wo er sich schließlich in Ben-Haim umbenannte - lernte er, vor allem durch die jemenitisch-stämmige Sängerin Bracha Zephira, die traditionelle Musik der ostjüdischen Gemeinschaften kennen, die zunehmend in sein Werk, das einen spezifisch israelischen Nationalstil mitbegründen sollte, Eingang fand. Zu seinen Schülern gehören u.a. Eliahu Inbal und Noam Sheriff.
Nachdem der 2015 während eines Konzerts tragisch ums Leben gekommene Dirigent Israel Yinon sich mit der NDR Radiophilharmonie (Hannover) bereits erfolgreich u.a. für Ben-Haims erste Symphonie eingesetzt hatte, folgen in dieser Aufnahme von 2010 die zweite (1945) und das Concerto grosso von 1931. Der Komponist setzt sich bereits in seinem ersten, größeren Orchesterwerk von der deutschen Spätromantik eher ab: Klanglich sind die Einflüsse der französischen Impressionisten (zweiter Satz!), aber auch ein von der Orchestrierung her schon an zukünftige Filmmusiken gemahnender Monumentalklang, wie er sich bei Respighi oder Korngold andeutet, dominanter. Auch scheut Ben-Haim nicht die Verwendung zeitgenössischer harmonischer Wendungen der Unterhaltungsmusik. Der geistige Hintergrund – Bezug zum barocken Concerto grosso mit zahlreichen Soli, die an Bach geschulte Fuge im ersten Satz oder die von Brahms‘ vierter Symphonie inspirierte Chaconne des dritten Satzes – bleibt jedoch noch klar mitteleuropäischen Traditionen verpflichtet. Der Gesamteindruck ist so keineswegs der eines Stückes ‚im alten Stil‘, sondern der einer durchaus eigenständigen, aber noch heterogenen Schöpfung.
Kurz nach Kriegsende jedoch bricht Ben-Haim mit der im Gegensatz zur düsteren Ersten optimistischeren Symphonie Nr. 2 – immer noch traditionell viersätzig – strenge Formvorgaben teilweise auf. Zugunsten einer lyrisch geprägten Monothematik – der Kopfsatz wird gänzlich von einer pastoralen Melodie im lydischen Modus beherrscht – verzichtet er etwa auf eine Reprise. Sowohl der zweite als auch der dritte Satz verarbeiten u.a. Melodien, die der Komponist für besagte Bracha Zephira arrangiert hatte. Hier deutet sich bereits an, was Max Brod später als mediterranen Stil charakterisiert hat. Nach dem schmerzvollen Andante dreht sich die Stimmung im dramatischen Finale dann doch ins Positive.
Wie bei allen Aufnahmen Israel Yinons, die sich Komponisten widmen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben (etwa den fantastischen Einspielungen der Symphonien von Karol Rathaus auf Decca und cpo), zeigt sich auch hier wieder die große Sorgfalt und Empathie, mit der diese kaum gespielte Musik realisiert wurde. Die Orchestersoli treffen klangschön den jeweils geforderten Charakter; nichts zerfällt ins Episodenhafte – trotz einiger Längen. Die kolossalen Steigerungen wirken allerdings manchmal fast ein wenig aufgesetzt, was aber eher dem Komponisten vorzuwerfen ist. Dies alles wurde von der Tontechnik perfekt eingefangen, dazu gibt es einen Booklettext vom Autor der wichtigsten Ben-Haim-Monographie. So darf sich der Hörer über eine – keineswegs nur wegen fehlender Konkurrenz – maßstabsetzende Interpretation noch immer weitgehend unbekannten, aber wertvollen Orchesterrepertoires freuen, die eine ausdrückliche Empfehlung verdient.
Martin Blaumeiser [27.04.2017]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Paul Ben-Haim | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 | 00:43:33 |
5 | Concerto grosso | 00:28:37 |
Interpreten der Einspielung
- NDR Philharmonie Hannover (Orchester)
- Israel Yinon (Dirigent)