Franz Schmidt
Quintet
cpo 555 026-2
1 CD • 64min • 2013
18.11.2016
Künstlerische Qualität:
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Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es haben viele berühmte Komponisten für Paul Wittgenstein geschrieben, der im Krieg den rechten Arm verloren hatte. Offenbar wurde die Beschränkung auf die linke Hand allein schnell als eine Möglichkeit verstanden, dem obsolet gewordenen zweihändigen, romantisch vollgriffigen Klaviersatz zu entkommen. Denn es ist auffällig, dass einige der Komponisten sogar mehrfach die rechte Hand wegließen, keiner so oft übrigens wie Franz Schmidt. Von den insgesamt sechs (!) Kompositionen für Paul Wittgenstein ist die vorletzte, das Quintett A-Dur für Klavier (linke Hand), Klarinette und Streichtrio von 1938, die wohl ehrgeizigste: Sie ist mit einer guten Stunde Spielzeit eigentlich fast abendfüllend. Sie ist wohl auch die privateste: Ein Jahr vor seinem Tod und zu einer Zeit, als Alban Berg bereits tot war, sammelte der Komponist noch einmal sämtliche seiner kompositorischen Möglichkeiten zusammen. Und das Quintett A-Dur ist, nicht zuletzt, von allen Kompositionen für linke Hand allein wohl diejenige, welche – nach vier vorangegangenen größeren Werken für diese Besetzung – diese besondere Aufgabenstellung am angemessensten zu lösen vermochte.
Weniger als bei den anderen Werken für die linke Hand kommt es bei diesem Solitär darauf an, den Effekt auszukosten, dass eine Hand klingen kann wie zwei. Diesen hat Franz Schmidt hier vollständig transzendiert. Es ist daher für diese Produktion von großem Vorteil, dass Konstanze Eickhorst, die Pianistin des Linos Ensembles, das hier in reduzierter Besetzung auftritt, nicht nur eine versierte Kammermusikerin ist, sondern eine echte Pianistin, die über die nötige Stärke der linken Hand hinaus über eine große Anschlagspalette verfügt. Nicht nur wird das Klavier bisweilen konzertant aufgefasst wie etwa im Variations-Finale, es bestreitet auch das gewichtige Intermezzo nach dem quasi-symphonischen Kopfsatz solistisch. Eickhorst läßt eine artikulatorische Phantasie spielen, die musikhistorisch weit zurückgreifen kann, aber auch die modernen Dimensionen des vielschichtigen Klavierparts herausstellt: Das Intermezzo macht bitonal die Zweifel an moderner harmonischer Unsicherheit greifbar, im Eingangssolo zum Finalsatz erscheint dann der Gewährsmann Johann Sebastian Bach: als Retter?
Diese zentrale Instanz des auf das Wesentliche reduzierten Klaviers verbindet einerseits die ebenfalls vereinzelte Klarinette, die Rainer Müller van Recum extrem diskret in den Gesamtklang einspielt, nicht als zweite Solistin, sondern eine Stimme, die allein durch ihre Fremdheit Ausdruck gewinnt. Das Streichtrio fungiert in seiner Geschlossenheit als dritte Kraft, wiederum nicht solistisch aufgefächert, und ordnet somit die Stimmendisposition auch für den Ersthörer sehr nachvollziehbar.
Dieses so entdeckenswerte Werk wurde bislang nicht oft eingespielt. Im Vergleich mit der ansonsten sehr verdienstvollen Einspielung etwa der Wiener Kammermusiker auf Preiser, die etwas zügiger musizieren, stellt sich heraus, dass dieser kammermusikalische Zyklop langsame Tempi nicht nur aushält, sondern sich das von Franz Schmidt romanhaft ausgebreitete Komponieren sogar eher noch etwas intensiver entfaltet.
Prof. Michael B. Weiß [18.11.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schmidt | ||
1 | Quintett A-Dur für Klavier linke Hand, Klarinette und Streichtrio | 01:03:42 |
Interpreten der Einspielung
- Linos Ensemble (Ensemble)