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Besprechung CD

Berlioz • Schubert • Chopin

Alexandre Rabinovitch-Barakovsky

Gallo CD-1448

1 CD • 69min • 2014, 2014

13.10.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die lodernden Gefühle des Hector Berlioz sorgten für produktiven Größenwahn: Er hatte sich unsterblich - und zunächst unerwidert - in die angesehene irische Schauspielerin Harriet Smithson verliebt. Was lag für den begabten, 26 Jahre jungen Komponisten näher, als die im Aufruhr befindlichen Gefühle in einem beispiellosen Schaffensrausch zu kanalisieren? Die berühmte Symphonie Fantastique ist das beeindruckende Resultat. Dieses fünfsätzige instrumentale Musikdrama hat Geschichte gemacht, wenn es um die Erweiterung sinfonisch-klanglicher Möglichkeiten geht und wirkte für eine stärker werdende Subjektivität des eigenen künstlerischen Ausdrucks in der beginnenden Romantik geradezu vorbildhaft. Berlioz eigentlicher Plan, mit einer pompösen Aufführung dieser Sinfonie in London seiner Angebeteten zu imponieren, mutet hier schon fast wie eine Randnotiz an. (Stattdessen wurde die Symphonie Fantastique 1830 in Paris uraufgeführt. Dennoch fügte sich das Schicksal: Berlioz und Harriet Smithson gingen später – wenn auch nur kurz – eine Beziehung miteinander ein.)

Imponierend ist, was Alexander Rabinovitch-Barakovsky zusammen mit dem Novosibirsk Academic Symphony Orchestra bei einem Livekonzert im Jahr 2004 aus der Partitur herausholte. Rabinovitch, gebürtiger Russe und heute in der Schweiz lebend, ist ein Multitalent: Er hat, vor allem im Bereich der minimal music, eine eigene kompositorische Stimme und steht als freischaffender Dirigent bei vielen Sinfonieorchestern von Welt am Pult. Ein solches ist auch das Orchester dieser Einspielung - auch wenn dessen Heimstätte geografisch weit weg erscheint. Aber Novosibirsk, circa 3500km östlich von Moskau gelegen, ist neben Russlands pulsierender Hauptstadt und dem ehrwürdigen Sankt Petersburg die dritte Kulturmetropole in diesem Riesenland. Und es kann diesem 1956 von Arnold Kats gegründeten Sinfonieorchesters ruhig künstlerische Augenhöhe mit der russischen und auch internationalen „Konkurrenz“ attestiert werden.

Rabinovitch-Barakovskys Dirigat stellt bei der hier vorliegenden Liveaufnahme vor allem die impulsiven, spannungsgeladenen und extrovertierten Aspekte der Symphonie Fantastique in den Vordergrund. Im riesigen sinfonischen Format wird das Innere eines Menschen im Ausnahmezustand nach außen gekehrt. Verliebtheit, eine der stärksten emotionalen Kräfte, bestimmt die Richtung. In reichhaltig und raffiniert instrumentierten, schwelgerischen Parts widerspiegeln vor allem die ersten beiden Sätze immense Glücksgefühle und verzückte Träumerei, wozu auch Rückblendungen in die Kindheit gehören. Aber die Schattenseiten und Abstürze folgen auf den Punkt: Verlustangst, Scham, Wut sowie Todesangst- und Sehnsucht.

Vor allem der erste Satz durchmisst sämtliche Gegensätze, Traumsequenzen gleich. Dramatisch holt der zweite Satz mächtig Atem, bevor Rabinovitch und die sibirischen Sinfoniker umso mehr einen Walzer leichtfüßig tänzeln lassen. Auf die Idylle folgt das Verhängnis. Wenig später hat der Liebende im Affekt seine Angebetete getötet und muss jetzt die Konsequenzen tragen. Beim letzten Gang des Verurteilten zur Hinrichtung spielt das Orchester einen langsamen Marsch. Schließlich, im spektakulären Finale erscheint die Geliebte als dämonische Figur aus dem Jenseits. Dazu erklingen im Orchester lautmalerisch die Totenglocken. Sie läuten den ewigen Choral Dies Irae ein, während Donnerschläge der Pauken beängstigend jenen Boden erzittern lassen, der das Diesseits von der Unterwelt trennt.

Aber es bleibt in Berlioz sinfonischem Entwurf nie beim gravitätischen Marsch oder beim alles verschlingenden Dies-Irae stehen. Vielmehr weiß Berlioz die strengen Formen raffiniert weiterzudenken, in gerade verspielter Manier zu überhöhen, ja, manchmal auch zu parodieren. Und gerade diese Aspekte werden von der vorliegenden Interpretation konsequent in Licht gerückt. Umso mehr verleiht dies den leitmotivischen Charakteren eine irreale Aura.

Alexander Rabinovitch Barakovksys ist künstlerisch sehr vielseitig. Zwei intime Zugaben beschließen diese CD denkbar kontrastreich. Unprätentiös und tiefempfunden lässt Alexander Rabinovitch-Barakowsky Schuberts sechstes Impromptu pulsieren. Fast nahtlos schließt Chopins Fantasie in f-Moll op. 49 daran an. Man kann Seelenzustände ohne gigantomanische Breitwandformate wie bei Berlioz sprechen lassen. Die intimen Klavierstücke am Ende dieser CD wirken hier wie eine Antithese.

Bezug über http://www.vdegallo.ch/

Stefan Pieper [13.10.2016]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Hector Berlioz
1Symphonie fantastique op. 14 (Episoden aus dem Leben eines Künstlers) 00:41:26
Franz Schubert
6Impromptu Ges-Dur op. 90 Nr. 3 D 899 Nr. 3 00:05:17
Frédéric Chopin
7Fantasie f-Moll op. 49 00:12:09

Interpreten der Einspielung

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