Luisa Imorde • Zirkustänze
Robert Schumann • Jörg Widmann
Ars Produktion ARS 38 213
1 CD/SACD stereo/surround • 73min • 2015
28.06.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Jörg Widmann und Robert Schumann miteinander zu koppeln macht Sinn, hat Schumann doch eine tiefe und ungebrochene Bedeutung für Widmann, was man an dem Tonfall der hier eingespielten Werke Jörg Widmanns durchaus festmachen kann. Doch einen Widmann-Zyklus aufzubrechen und mit Miniaturen aus Schumanns Kinderszenen op. 15, Waldszenen op. 82, den Phantasiestücken op. 12, den Davidsbündlertänzen op. 6 und dem Faschingsschwank op. 26 zu vermischen – das mag Mancher als unerhörte Provokation empfinden. Luisa Imorde, die Solistin dieser Aufnahme, nennt es einen „außergewöhnlichen Dialog“, Jörg Widmann selbst – nach anfänglich erheblichen Bedenken gegenüber diesem Projekt – eine „produktive Irritation“. Auf jeden Fall ist dieser Dialog zwischen Romantik und Zeitgenössischem ein großes Wagnis, zumal, wenn er das Zentrum der Debut-CD einer jungen Pianistin bildet. Doch der Reihe nach.
„Zirkustänze“ nennt Luisa Imorde ihr bei Ars Produktion erschienenes Programm, ausgehend von dem András Schiff gewidmeten gleichnamigen Zyklus Jörg Widmanns, der hier erstmals auf CD veröffentlicht ist. Von den Tränen eines Clowns bis zum gewagten Seiltanz ist in diesen elf Miniaturen alles enthalten, was die Welt des Zirkus ausmacht: Heiteres, Drastisches, Verspieltes, Groteskes sowie Tief- und Abgründiges – alles von der sechsundzwanzigjährigen Pianistin unprätentiös und präzise durchartikuliert, von dem nach innen lauschenden Venezianischen Gondellied bis zum grotesk-artistischen Bayerisch-babylonischen Marsch. Bei aller „Klangakrobatik“ (Luisa Imorde) sucht man hier jedoch vergebens ein beifallheischendes zirzensisches Spektakel. Vielmehr beeindruckt das Spiel mit Hörerwartungen, Hörgewohnheiten oder auditiven Erinnerungen, das Jörg Widmann mit dem Hörer treibt; ständig meint man, Motive, Melodien oder Themen zu erkennen, im Valse sentimentale ebenso, wie im Karussell-Walzer oder in der Hebräischen Melodie. Dieses Spiel scheint auch Luisa Imorde hörbares Vergnügen zu bereiten, sind es doch besonders die hellhörig umgesetzten Ausdruckswechsel innerhalb des gesamten Zyklus und innerhalb eines einzelnen Stücks, die sofort ins Ohr fallen. Und Imordes erzählerischer Gestus, der auch ihrer charmant elastischen Lesart der Papillons op. 2 von Robert Schumann den Stempel aufdrückt. Zu gleichen Teilen singend und tänzerisch bewegt sich die Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes durch diesen elegischen bis ausgelassenen Maskenball.
Eine wirkliche Überraschung gelingt Luisa Imorde aber mit einem ganz eigenen Zyklus: mit den Elf Humoresken Jörg Widmanns, die sie mit sechs Schumann-Miniaturen anreichert. Dabei baut sie zwischen den Sätzen Brücken tonartlicher und atmosphärischer Art, so dass weder Schumann noch Widmann Gewalt angetan wird. Es entsteht etwas Neues; was zunächst verstörend wirkt, entpuppt sich als etwas hoch Spannendes, was dank der feinsinnigen, poetisch grundierten Gestaltungskunst Luisa Imordes einer eigenen schlüssigen Dramaturgie folgt. Allein das ist große Kunst. Verstand und Gefühl gehen Hand in Hand, wenn Luisa Imorde mal grazil, mal sehnsuchtsvoll, mal feierlich, mal humorvoll, aber auch erregt und glutvoll die Poesie, das Heitere, Nachdenkliche, Ernste und Groteske der Widmann- und Schumann-Miniaturen zu einem geschlossenen Ganzen zusammenführt – ganz so wie es in der Natur des Zirkus liegt.
Christof Jetzschke [28.06.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | Papillons op. 2 | 00:14:21 |
Jörg Widmann | ||
13 | Humoreske Nr. 1 (Kinderlied) | 00:03:43 |
Robert Schumann | ||
14 | Fast zu ernst op. 15 Nr. 10 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:23 |
Jörg Widmann | ||
15 | Humoreske Nr. 2 (Fast zu ernst) | 00:00:53 |
16 | Humoreske Nr. 3 (Anfangs lebhaft) | 00:03:05 |
Robert Schumann | ||
17 | Der Vogel als Prophet op. 82 Nr. 7 (Bearb. für Violine und Klavier) | 00:03:18 |
Jörg Widmann | ||
18 | Humoreske Nr. 4 (Waldszene) | 00:01:04 |
19 | Humoreske Nr. 5 (Choral) | 00:02:36 |
Robert Schumann | ||
20 | Warum? op. 12 Nr. 3 | 00:02:47 |
Jörg Widmann | ||
21 | Humoreske Nr. 6 (Warum?) | 00:01:30 |
22 | Humoreske Nr. 7 (Intermezzo) | 00:00:59 |
Robert Schumann | ||
23 | Faschingsschwank aus Wien op. 26 | 00:01:56 |
Jörg Widmann | ||
24 | Humoreske Nr. 8 (Zerrinnendes Bild) | 00:02:40 |
25 | Humoreske Nr. 9 (Glocken) | 00:00:57 |
Robert Schumann | ||
26 | Davidsbündlertänze op. 6 | 00:02:28 |
Jörg Widmann | ||
27 | Humoreske Nr. 10 (Lied im Traume) | 00:00:41 |
28 | Humoreske Nr. 11 (Mit Humor und Feinsinn) | 00:05:28 |
Robert Schumann | ||
29 | Davidsbündlertänze op. 6 | 00:01:48 |
Jörg Widmann | ||
30 | Suite für Klavier | 00:21:20 |
Interpreten der Einspielung
- Luisa Imorde (Klavier)