Eriks Ešenvalds
St Luke Passion Sacred Works
Ondine ODE 1247-2
1 CD • 68min • 2015
29.07.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der 1977 geborene lettische Komponist Ēriks Ešenvalds ist inzwischen ein angesagter Name in der Chorszene. Für seine Werke und Aufnahmen erhielt er bereits zahlreiche Preisen und Auszeichnungen, u.a. drei Mal den Großen Musikpreis Lettlands. Bedeutende Vokalensembles haben seine Musik in ihr festes Repertoire aufgenommen.
Das zentrale Werk der vorliegenden CD, die rund halbstündige Lukas-Passion für gemischten Chor und Orchester aus dem Jahr 2014, entstand auf Anregung des Dirigenten Sigvards Kļava. Neben Texten aus dem Lukas-Evangelium nutzt Ešenvalds ebenso das berühmte jüdische Sch’ma Jisrael sowie Texte des amerikanischen Schriftstellers James Weldon Johnson und der viktorianischen Dichterin Christina Rosetti. Ešenvalds vereinheitlichte – wohl der internationalen Verbreitung halber –sämtliche Texte ins Englische.
Seine unmittelbar packende, eklektische Musiksprache orientiert sich hörbar an den Vorbildern Britten und Schostakowitsch und nutzt darüber hinaus sehr häufig wirkungsvolle Ostinato-Passagen. Das die Passion eröffnende Crucify him gelingt Ešenvalds atemberaubend. Im weiteren Verlauf des Werkes jedoch wirkt mir die Musik zuweilen allzu bildlich (etwa in der Szene, in der Jesus ans Kreuz geschlagen wird), auf äußeren Effekt bedacht und bisweilen sogar fast ein wenig so, als ob Hollywood Pate gestanden hätte. Das beschließende Cantabile würde jedem Musical zur Ehre gereichen. Und hier kommen wir meines Erachtens zu einer Schwäche von Ešenvalds’ Musiksprache: Auch die weiteren Werke der CD (A Drop in the Ocean, The First Tears und Litany of the Heavens) folgen im Grunde einer ähnlichen Konzeption mit großflächigen, wellenartig angelegten Steigerungen, Klangwolken und –schichtungen und Ostinati. Immer wieder gibt es Passagen von berückender Schönheit und man kann zweifelsohne Ešenvalds’ einen originären Klangsinn nicht absprechen, doch überschreitet er meines Erachtens nicht selten die Grenze zum Kitsch (etwa wenn in The first Tears , der Vertonung eines Inuit-Märchens , eine Folklore-Flöte und Maultrommel zum Einsatz gelangen). All dies ist zwar geschickt gemixt, nimmt von überall etwas mit, gelangt aber leider nicht wirklich zu einer persönlichen Note.
Der Chor des Lettischen Rundfunks unter Sigvards Kļava bietet wie üblich eine stimmlich makellose Leistung, doch wirkt die englische Aussprache (vor allem der Solisten) nicht immer natürlich. Ich bin gespannt, weitere Werke des Letten zu hören. Talent hat er zweifellos, dazu ein verlässliches Handwerk, das ihm jederzeit zu Gebote steht. Vielleicht gelingt es ihm in der Zukunft, aus der ihm zur Verfügung stehenden Fülle, mehr Wesentliches und Eigenes herauszukristallisieren.
Heinz Braun † [29.07.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ēriks Ešenvalds | ||
1 | Passion according to St Luke | 00:30:38 |
9 | A Drop in the Ocean | 00:08:22 |
10 | The First Tears | 00:14:53 |
11 | Litany of the Heavens | 00:13:43 |
Interpreten der Einspielung
- Latvian Radio Choir (Chor)
- Sinfonietta Riga (Orchester)
- Sigvards Kļava (Dirigent)