Anders Hillborg
Sirens
BIS 2114
1 CD/SACD stereo/surround • 62min • 2013
15.03.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zu Anfang von Anders Hillborgs Orchesterwerk Beast Sampler denkt der unvorbereitete Hörer, er wäre in einem Stück von Helmut Lachenmann gelandet: wilde, fauchende Atemgeräusche der Bläser. Später kommen dichte Clusterfigurationen der Streicher hinzu, die an Pendereckis Musik der frühen Sechzigerjahre gemahnen. Und noch später dann: choralartige Akkorde und oszillierende Obertonreihen, wie man sie bei den „Spektralisten“ inner- und außerhalb Frankreichs finden mag. Da liegt die Vermutung nicht fern: Hat hier vielleicht jemand verschiedenste Orchestereffekte der zeitgenössischen Musik einfach gesampelt und aneinandergereiht?
Die Antwort ist: Ja und nein. Das „Sampling“, wie man es in der Popmusik findet, ist in der Tat eine kompositorische Grundingredienz des 1954 geborenen Schweden Anders Hillborg. Seiner Sammlung von Klängen gesellen sich stets neue, im vorangegangenen Werk noch nicht dagewesene hinzu. Doch er „tackert“ sie eben nicht einfach aneinander, sondern schafft daraus in stets intelligenter, manchmal auch faszinierenden Art und Weise eine Klang-Galerie. Und dies gelingt ihm auf verhältnismäßig kleinem Raum, wie zum Beispiel im erwähnten, knapp zehnminütigen Beast Sampler am besten. Das Werk besitzt bei aller sonoristischen Vielfalt eine konzise, greifbare Struktur und geht tatsächlich gut ins Ohr: „Avantgarde light“.
Von ähnlichem Umfang und Charakter zeigt sich Cold Heat, wenngleich die Aussage hier nicht ganz so treffend auf den Punkt gebracht scheint. In Sirens, einer über 32 Minuten dauernden Komposition für zwei Soprane, Chor und Orchester, machen sich dann doch gelegentliche Längen bemerkbar. Es geht, wie der Titel bereits andeutet, um die Sirenen, welche Odysseus mit ihrem Gesang zu betören trachten. Und dieser Gesang muss natürlich von übernatürlicher Schönheit sein. Ist er hier auch, und zu Hillbergs „Samples“ treten Anklänge an John Adams und – besonders – Steve Reich hinzu. Aber bei aller hypnotisierenden Farbenfülle stellt sich irgendwann der Eindruck eines bloßen Badens im perfekt kuratierten Schönklang ein. Immerhin ist das Opus – wie auch die anderen Kompositionen auf dieser CD –durchaus geeignet, vorsichtigen Hörern die Scheu vor Neuer Musik zu nehmen; und dies wäre ja beileibe nicht das Schlechteste!
Dass Hillborg auch anders kann, zeigt übrigens das kurze, und von Hannah Holgersson betörend vorgetragene Lied O dessa ögon (Oh diese Augen): eine schlichte, anrührend melodiöse Meditation für Sopran und Streicher.
Klangtechnisch bleiben ebenso wenige Wünsche offen wie interpretatorisch: Das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra agiert mit hervorragender Ensemblekultur, und alle drei Dirigenten – Sakari Oramo, David Zinman, Esa-Pekka Salonen – realisieren Hillborgs so vielfältige Tonsprache mit bewundernswerter Perfektion und hundertprozentigem Einsatz.
Thomas Schulz [15.03.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Anders Hillborg | ||
1 | Beast Sampler | 00:09:43 |
2 | O dessa ögon | 00:04:39 |
3 | Cold Heat | 00:14:25 |
4 | Sirens | 00:32:32 |
Interpreten der Einspielung
- Hanna Holgersson (Sopran)
- Ida Falk Winland (Sopran)
- Eric Ericson Chamber Choir (Chor)
- Swedish Radio Choir (Chor)
- Royal Stockholm Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Sakari Oramo (Dirigent)
- David Zinman (Dirigent)
- Esa-Pekka Salonen (Dirigent)