Sally Beamish The Singing
BIS 2156
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2014
09.09.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die 1956 in London geborene Komponisten Sally Beamish, die man sozusagen zum Kreis der ‚Composers-in-residence’ des schwedischen Labels BIS zählen kann (neben Namen wie Kalevi Aho, John Pickard oder James MacMillan), hat eine besondere Liebe zur irischen, walisischen und schottischen Musik, von deren melodischem und sonorem Erbe sie Bruchstücke und auch längere Episoden ihren Stücken einverleibt, deren Herkunft aus der keine Stilelemente ausschließenden, eher mosaikartig collagierend sich verortenden zeitgenössischen Musik der Insel offenkundig ist (Peter Maxwell Davies, den sie hier auch explizit benennt, gehört zu den geistigen Vorbildern). Sie ist eine geschickte Arbeiterin in der Kombination, Konfrontation und Permutation von einander an und für sich oftmals fremden Versatzstücken, die sie in kurzfristig reizvolle Wechselwirkungen zu bringen versteht. Dass sie Tonalität keineswegs ausschließt, sondern ausdrücklich begrüßt, bedeutet nun keineswegs, dass sie Tonalität als formbildende Grundkomponente verstünde. Eher wird Tonalität hier als eine Ingredienz im Baukastensystem verwandt, und die Zusammenhänge sind auf spekulativem und außermusikalisch inspiriertem Wege hergestellt. Folglich kann auch von innerem Zusammenhang, also von einer wirklich bezwingenden Formung keine Rede sein. Dies ist natürlich das Grundproblem der Moderne, seit sie versucht, atonal (also beziehungslos) zu sein. Tonalität, durch die Hintertür eingeführt als exotische Beigabe, wird hier sozusagen durch die Brille der Atonalität (der Zusammenhangslosigkeit) verstanden, und da kann sie noch so simpel sein, sie gibt es einfach nicht anders her, wenn man nicht den Energien folgt, die sie aus ihren eigenen Kräften entfaltet, was überhaupt nichts zu tun hat mit dem Grad der Komplexität oder Dissonanz – im Gegenteil: je einfacher, je konsonanter auch, desto gnadenloser decouvriert sich das Missglückte von selbst. Wem all dies nicht wichtig ist, wer sich einfach gerne klanglich reizvollen Impressionen und auf den ersten Blick überraschenden stilistischen Encounters überlässt, der kann hier vielleicht erheblichen Genuss erfahren, zumal dann, wenn ein ausgeprägt sentimentales Verhältnis zum Faktor Nostalgie vorhanden ist, eine Neigung zum Verlorengegangenen, das Fundstück-haft wieder auftaucht. Die versammelten Werke stammen aus den Jahren 2003-12. Das Trompetenkonzert von 2003 wird von Håkan Hardenberger herrlich gespielt, und auch James Crabb ist im bewusst schottischen Dudelsack beschwörenden Akkordeonkonzert von 2006 mit aller Hingabe bei der Sache. Es gibt viele schöne Momente, insbesondere im Akkordeonkonzert The Singing auch eine Menge bedeutungsschwanger in die Stille weisenden Leerlauf, und die doch beträchtliche Länge der Stücke (je 22-23 Minuten) ist so wenig plausibel wie im 12-minütigen Orchesterstück A Cage of Doves von 2007. Reckless für Kammerorchester, geschrieben 2012, ist noch unbedeutender und glücklicherweise nicht länger als zu lange zweieinhalb Minuten. Bleibt Under the Wing of the Rock in der Fassung für Altsaxophon und Streicher (2006/08), gespielt von Branford Marsalis: Hier, wo am wenigsten klangliche Abwechslung geboten ist, gelingen Beamish die besten Momente auch etwas längerer Entwicklungszüge, wenn man von dem an Minimal-Mustern geschulten, rhythmisch beliebig umherhüpfenden Mittelteil absieht. Das ist dann doch nicht mehr als sportliche Unterhaltung, wenn auch mit Ansätzen zu einem echteren, tieferen Ausdruck. Auf hohem Niveau agiert durchweg das Scottish National Orchestra (im Trompetenkonzert das National Youth Orchestra of Scotland) unter der souveränen Stabführung des bewährten Martyn Brabbins, und wie fast immer bei BIS ist die klangliche Abbildung vorbildlich in der Transparenz, weitwinkligen Sonorität und oftmals frappierenden Haptik des Geschehens.
Christoph Schlüren [09.09.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sally Beamish | ||
1 | Konzert für Akkordeon und Orchester (The Singing) | 00:22:13 |
10 | A Cage of Doves | 00:12:07 |
11 | Under the Wing of the Rock | 00:13:03 |
12 | Reckless | 00:02:38 |
13 | Trompetenkonzert | 00:22:50 |
Interpreten der Einspielung
- James Crabb (Akkordeon)
- Branford Marsalis (Saxophon)
- Hakan Hardenberger (Trompete)
- Royal Scottish National Orchestra (Orchester)
- National Youth Orchestra of Scotland (Orchester)
- Martyn Brabbins (Dirigent)