cpo 777 475-2
1 CD • 79min • 2009
28.11.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Man sagt es ja aus Respekt vor Joseph Haydn nicht leichtfertig, aber es gab zu seinen Lebzeiten tatsächlich Komponisten, von denen einzelne Werke dem Niveau nach mit denen des klassischen Übervaters vergleichbar waren. Bevor Johann Baptist Vanhal (1739 – 1813) sich in den 1780er Jahren von den damals avanciertesten Gattungen, Sinfonie und Streichquartett, zurückzog und sich auf weniger komplexe, aber publikumstauglichere Genres verlegte, schrieb er Streichquartette, die sich selbst neben Haydns Beiträgen, der dieses Genre ja maßgeblich begründet hatte, sehen und hören lassen können.
Vier Quartette aus dem knapp 100 Werke umfassenden Bestand Vanhals – der damit rein quantitativ Haydn übrigens übertroffen hat! – stellt das Lotus String Quartet hier vor. Sie entstanden zwischen 1769 und 1786, umfassen also die Spanne vom Bekanntwerden des Böhmen bis zum Beginn seiner kompositorischen Selbstbeschränkung. Würde man diese vier Quartette ohne Vorwissen zu hören bekommen, könnte man sie leicht für unbekannte Werke Haydns halten, so sicher ist die handwerkliche Ausführung, so phantasievoll die Erfindung, so tief ist übrigens auch die Empfindung. Eben dieser letzte Umstand unterscheidet Vanhals Werke, zumindest die hier vorgestellten, auch von den Quartetten seines Schülers Ignaz Pleyel, von dem kürzlich das Pleyel Quartett Köln (ebenfalls auf cpo) einige Beispiele präsentierte. Wo Pleyel ein reines Spiel spielte, stets merkwürdig unbetroffen, läßt Vanhal auch einerseits Leidenschaften hören, vibrierende Energien etwa im Es-Dur-Quartett von 1786 oder gemessenen Ernst im c-Moll-Quartett von 1769, anderseits aber auch ein vorsichtiges persönliches Reflektieren etwa im Kopfsatz des A-Dur-Quartetts op. 33/2 von 1785.
Möglicherweise wirken aber auch die Quartette des älteren Vanhals emotional weniger sediert als diejenigen seines Schülers Pleyel, weil das Lotus String Quartet auch mit Vibrato spielt und damit echten Klang erzeugt, im Gegensatz zum Pleyel-Quartett, das sich selbst die Beschränkung auf vibratoarmes Spiel auferlegte. Die größere Bandbreite des Lotus String Quartetts erweist sich hier als großer Vorteil, zudem die Intonation trotz wohldosierten Vibratospiels immer blitzsauber bleibt und der sehr schöne, überaus kultivierte Gesamtklang nie Abstriche erfährt. Doch die drei Japanerinnen, die seit 2005 durch einen deutsche 2. Geiger ergänzt werden, können durch das klanglich reichere Spiel und die Bereitschaft zu Temperament und Emotion weit in den Raum ausgreifen und realisieren diese drei Meisterwerke dadurch in quasi dreidimensionaler Plastizität. Dadurch rührt diese Musik auf angenehme Weise, ohne gleich anzurühren wie Mozart oder aufzuregen wie etwas später Beethoven. Ein Hörvergnügen!
Prof. Michael B. Weiß [28.11.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Baptist Vanhal | ||
1 | Streichquartett c-Moll op. 1 Nr. 4 Weinmann 5a:c2 | 00:15:35 |
5 | Streichquartett G-Dur Weinmann 5a:G8 | 00:19:49 |
9 | Streichquartett A-Dur op. 33 Nr. 2 Weinmann 5a:A4 | 00:24:34 |
13 | Streichquartett Es-Dur Weinmann 5a:Es11 | 00:18:13 |
Interpreten der Einspielung
- Lotus String Quartet (Streichquartett)