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Besprechung CD

cpo 777 766-2

2 CD • 2h 35min • 2010

31.12.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Michael Korsticks Erkundungen der Schubertschen Erlebniswelten gleichen einer Reise durch ein weites, zuweilen geradezu unheimlich grenzarmes Land. Durch eine Welt der Entsagungen, der leisen Versprechungen und des Glücks in seinen mehr oder weniger vergänglichen Erscheinungs- und Entschwindungsformen. In dieser Hinsicht beziehe ich mich auf seine ebenso zeitraubende wie zeitschenkende Darbietungen der B-Dur-Sonate und des As-Dur-Moment musical D 780 Nr. 6. Er ist nicht der erste Pianist, der im „Molto moderato“ für den Kopfsatz der finalen Schubert-Sonate dem Begriff „Molto“ eine besondere Bedeutung zumisst. Sviatoslav Richter oder auch Valery Afanassiev haben diesen Themen- und Abwandlungsprozess deutlich mehr Dauer und Verweilen zugestanden als ihre Kollegen, von denen ich nur die schlanken, gleichsam gesundet vorwärts strebenden Einspielungen von Géza Anda und Clara Haskil hervorheben möchte.

Die hier zur Diskussion gestellte Aufnahmen der B-Dur-Sonate und der von Korstick sehr ernst, ja schwerwiegend intonierten Ungarischen Melodie (D 817) sind Übernahmen einer Ars Musici-Produktion aus dem Jahr 2003. Das genannte Moment musical spielte der Pianist jedoch – zusammen mit den anderen Stücken dieser Zusammenstellung – im Juli, bzw. im September 2010. Anhand der vorliegenden Wiedergaben wage ich zu sagen: Korstick ist sich in den sieben zwischen den beiden Aufnahmesequenzen liegenden Jahren treu geblieben. Die enorme Streckung des nun alles andere als „momentanen“ As-Dur-Stückes auf immerhin 14 Minuten könnte allenfalls die Vermutung zulassen, dass Korstick heute dem Kopfsatz der B-Dur-Sonate noch etwas mehr in die beängstigende Breite spielen würde.

Ungeachtet der skizzierten Raum- und Zeiteinteilungen überzeugen, ja fesseln Korsticks Ausdeutungen in ihrer leisen wie dynamisch forcierten Unerbittlichkeit. Selbst in den lieblichen Momenten der beiden A-Dur-Sonaten scheint es zu brodeln, scheint der Interpret als Beantworter von existenziellen Fragen unter der schönen Last zu leiden, stets auch neue Fragen aufzuwerfen. Franz Schuberts Persönlichkeit, sein Lebensentwurf und der ihm durch die gesellschaftlichen Umstände auferlegte Lebenslauf wirken in den verschiedensten Satztypen dieser Werkauslese klanglich, rhetorisch und im Kantablen be(d)rückend plastisch abgebildet. Hierzu passt es sogar, wenn der Klavierklang etwas schattiert, längst nicht so klar und Farben rein dokumentiert wirkt wie etwa in den DG-Aufnahmen mit Aimard oder in dem jüngst erschienenen Salzburger Sokolov-Mitschnitt, dessen aufnahmetechnische Brillanz allerdings auf die Künste des Österreichischen Rundfunks zurückzuführen ist – und da auf die spezielle Erfahrung der Salzburger Abteilung.

Für eine gründliche Auseinandersetzung mit den Klavierwerken von Schubert und mit der Meinungsvielfalt ihrer Interpreten sind diese Korstick-Dokumente unverzichtbar. Sie zeigen, dass sich berufene Musiker mit ihren Auffassungen nicht nur in Grenzbereiche wagen, sondern die Werke selber die Grenzbereiche vorgeben.

Vergleichseinspielungen - Auswahl: D 960 - Korstick (Ars Musici AM 1373-2 – identisch mit cpo-Version); Richter (Eurodisc/Melodya LP 86 222 MK, Aldebourgh 1964 – Music & Arts CD 642, Moskau 1961 – Brillant Classics 92229 / IV, Moskau 1957Preiser PR 95003); Christoph Eschenbach (DG LP 2530 477); Annie Fischer (Qualiton LP LPX 11317 bzw. Hungaroton HCD 31494; London, Wien 1957-1964 EMI 5 69217 2), Fleisher (CBS LP 61662, Vanguard ATM CD 1551); Chiovetta (Claves 50-123); Naoumoff (EMI CDC 7 54223 2); Faes (Genuin 13263); Badura-Skoda (Conrad Graf Hammerflügel, Bösendorfer Nr. 23274 – Genuin 12251); Haebler (Philips LP 6741 002); Horowitz (Live Wien DG 435 025-2, RCA GD 60451); Haskil (Philips LP 6747 055 bzw. Philips 442 685-2), Huss (Records LP SPR 3298); Joeres (Largo LP 5004); Katsaris (Teldec LP 6.42202 AZ bzw. 4509-99690-2, 1993 – Piano 21 042-A); Kempff (DG LP 2740 132 bzw. DG 423 496-2); Arrau (Philips 432 307-2); Klien (Vox LP VXDS 110); Foldes (EMI CDM 7 64564 2); Grubert (ottaco OTR C78926); Petrov (Olympia OCD 275); Barenboim (DG 453 674, Wien 1992 – Erato 4509-91700-2, Warner 2564 69846-0)), Brendel (Euroarts DVD 2056558 – 1976/77/ mit Einführung, Salzburg 1971 – Philips 438 703-2, Philips 446 923-2, Philips Laser Disc 070 113-1, London 1988 – Philips DVD 070 1139); de Larrocha (Decca LP SXDL 7567); Tabe (Denon CO-78905); Trudelies Leonhardt (Hammerflügel – Jecklin-Disco LP 611/14; Lupu (Decca 440 295-2);

Peter Cossé † [31.12.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Schubert
1Klaviersonate Nr. 21 A-Dur D 959 00:41:49
5Moment musical C-Dur op. 94 Nr. 1 D 780 00:06:17
6Moment musical As-Dur op. 94 Nr. 2 D 780 00:08:03
7Moment musical f-Moll op. 94 Nr. 3 D 780 00:02:00
8Moment musical cis-Moll op. 94 Nr. 4 D 780 00:05:16
9Moment musical f-Moll op. 94 Nr. 5 D 780 00:01:59
10Moment musical As-Dur op. 94 Nr. 6 D 780 00:14:07
CD/SACD 2
1Klaviersonate Nr. 13 A-Dur D 664 op. posth. 120 00:22:42
4Ungarische Melodie h-Moll D 817 00:03:46
5Klaviersonate B-Dur D 960 op. posth. 00:48:47

Interpreten der Einspielung

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