Ars Produktion 38 113
1 CD/SACD stereo • 72min • 2011
24.07.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Einsam, doch in der wunderbaren Akustik der Wiesbadener St. Kilian-Kirche sehr sonor eingefangen, beginnt der Violoncellist Klaus-Dieter Brandt einen expressiven und ausführlichen Monolog. Erst, nachdem eine ganze Reihe von unterschiedlichen Stationen durchlaufen sind, versammelt sich das Orchester, eine unterschwellig erregte Stimmung breitet sich aus – und das Ganze entpuppt sich als Fantaisie für Violoncello und Orchester, eigentlich eher ein verkapptes, doch ausgewachsenes Solokonzert, dessen Finalsatz sogar am meisten Raum einnimmt. Diese originelle Form, die auch in der umfangreichen Literatur des 19. Jahrhunderts nicht viele Gegenstücke hat, hat Julius Rietz seiner Fantaisie op. 2 von 1844 gegeben. Es handelt sich hierbei um eine echte Entdeckung, die in dieser sorgfältigen Produktion ihre Erstaufnahme erlebt; man kennt Julius Rietz (1812–1877) zwar aus dem Umfeld Mendelssohns, nicht zuletzt als wichtigen Herausgeber der Gesamtausgabe sowie der Alten Bach-Ausgabe, und das Stimmenmaterial dieser Fantaisie ist bereits auf imslp.org verfügbar. Doch Klaus-Dieter Brandt und dem Orchester L´arpa festante unter der Leitung Riccardo Minasis gebührt der Ruhm, diesen veritablen Schatz gehoben zu haben.
Dass Rietz´, einer der frühen Musikwissenschaftler, auch auf so hohem Niveau komponiert hatte, wußte seinerzeit nicht einmal der New Grove, in dem die konzertanten Werke nicht einmal erwähnt werden. Auch das Violoncellokonzert E-Dur op. 16 aus den 1840ern, formal wieder überzeugend in drei ineinander übergehende Episoden gegliedert, überrascht durch seine Qualität. Es ist beinahe so, als ob hier unbekannte Konzerte des jungen Mendelssohns gefunden worden wären – nicht ganz auf dem poetischen Niveau des Mendelssohn´schen Violinkonzertes oder des Schumann´schen Violoncellokonzertes, aber doch so eigenständig, handwerklich sicher und einfallsreich, dass man diese Initiative sehr begrüßen muß. Zugegeben wird noch ein ebenfalls sehr beachtliches Violoncellokonzert h-Moll von Johann Benjamin Gross (eigentlich Groß, 1809–1848), das einen geradezu revolutionären Gestus auslebt.
Kurz gesagt, man sollte diese Musik kennen. Klaus-Dieter Brandt spielt die Konzerte mit sehr intensivem Ton, mit angenehmer Tiefe und großer Sicherheit in den oft genutzten hohen Lagen, dazu ausdrucksvoll und klangreich. Die Orchesterbegleitung von L´arpa festante ist sehr bewußt durchgestaltet, sehr präsent; aber in den Tuttipassagen, etwa in den revolutionären oder jubelnden Momenten des Groß-Konzertes, gerät nie in Vergessenheit, dass das Orchester in den Streichern klein besetzt ist (sechs 1., fünf 2. Violinen) und dass es sich um historische Instrumente handelt. Es ergibt sich also ein stetes Ungleichgewicht zwischen den immer ein wenig spitz klingenden Streichern und den Bläsern. Andererseits spielen sämtliche Musiker auf höchstem Niveau und der Ensembleleiter Riccardo Minasi kann den Effektreichtum der drei Stücke außerordentlich direkt verwirklichen. Auch, wenn es interessant wäre, diese Werke einmal von einem modernen Orchester begleitet zu hören, wird für diese Aufnahme eine Empfehlung fällig: Dieses Album von Ars Produktion ist schon jetzt eine der ganz wichtigen Erscheinungen dieses Jahres.
Prof. Michael B. Weiß [24.07.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Julius Rietz | ||
1 | Fantaisie op. 2 für Violoncello und Orchester | 00:22:29 |
Johann Benjamin Groß | ||
4 | Konzert h-Moll für Violoncello und Orchester | 00:21:17 |
Julius Rietz | ||
7 | Konzert op. 16 für Violoncello und Orchester | 00:27:41 |
Interpreten der Einspielung
- Klaus-Dieter Brandt (Violoncello)
- L'Arpa festante (Ensemble)
- Riccardo Minasi (Leitung)