DG 479 2712
2 CD • 1h 49min • 2013
23.06.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Keine szenische Produktion der letztjährigen Salzburger Festspiele hat so viel mediale Aufmerksamkeit erregt wie diese konzertante Aufführung von Verdis siebenter, 1845 an der Mailänder Scala uraufgeführter Oper Giovanna d’Arco. Wobei das öffentliche Interesse weniger dem Werk selbst galt als dem werbewirksam angekündigten und mit einer Verdi-CD beglaubigten Fachwechsel der Primadonna Anna Netrebko, die hier neben Altmeister Plácido Domingo und dem aufstrebenden Tenorkollegen Francesco Meli ein umjubeltes Debut als lirico-spinto-Sopran gab. Ob sie in das dramatische Fach hineinwachsen wird, läßt sich nicht absehen. Giovanna liegt allerdings im Bereich ihrer gegenwärtigen Möglichkeiten. Netrebko beherrscht die heroische Attitüde und entfaltet genügend dunklen Stimmglanz, ohne individuelle Differenzierungen, die in dieser Partie freilich auch nicht komponiert sind. Verdis Auseinandersetzung mit Schiller war zu diesem Zeitpunkt noch sehr oberflächlich.
Der unverwüstliche Plácido Domingo, der 1972 in der einzigen Studio-Aufnahme der Oper unter James Levine (neben Montserrat Caballé und Sherrill Milnes) den Part des Königs gesungen hatte, ist hier in der baritonalen Vaterrolle des Giacomo zu erleben, mit ungeschmälerter vokaler und dramatischer Präsenz. Doch ist er keineswegs zum Bariton mutiert, sondern ein Tenor geblieben, der halt in einer tieferen Stimmlage singt. Insofern erscheint er hier weniger als Vater Giovannas denn als Über-Ich seines jugendlichen Tenor-Gegenspielers Francesco Meli, der die Rolle des Königs und unglücklichen Liebhabers geschmeidig und schmelzreich ausführt. Allerdings sollte er beim Übergang vom Belcanto-Fach ins dramatischere Verdi-Repertoire sehr behutsam vorgehen, um sich diese Qualitäten zu erhalten.
Ein gewichtiges Argument für die Anschaffung der Kassette ist das ausdifferenzierte Spiel des Münchner Rundfunkorchesters unter Paolo Carignani, der eine ausgesprochen glückliche Hand für diesen frühen Verdi hat. Die Musiker bestechen durch Akkuratesse und rhythmische Prägnanz, die Aufführung hat Drive, ohne mit plakativer Fetzigkeit italianità vorzugaukeln.
Ekkehard Pluta [23.06.2014]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | Giovanna d'Arco (Dramma lirico in einem Prolog und drei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Francesco Meli (Carlo VII, König von Frankreich - Tenor)
- Plácido Domingo (Giacomo, Schäfer in Domrémy - Tenor)
- Anna Netrebko (Giovanna, Giacomos Tochter - Sopran)
- Johannes Dunz (Delil, Offizier des Königs - Tenor)
- Roberto Tagliavini (Talbot, Oberbefehlshaber der Engländer - Baß)
- Philharmonia Chor Wien (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Paolo Carignani (Dirigent)