Martin Fröst
Brahms
BIS 2063
1 CD/SACD stereo/surround • 79min • 2013
09.07.2014
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Selten ist Johannes Brahms’ spätes Klarinettenquintett in so erlesener Abschattierung zu hören, ausgeführt von fünf vollendeten Könnern an ihrem Instrument. Insbesondere ein feineres, ausgewogeneres, klanglich feinsinnigeres Spiel als dasjenige Martin Frösts dürfte kaum zu finden sein. Was trotzdem zu oft fehlt, ist die wirklich ausgehörte funktionelle Balance des kontrapunktischen Satzes. Da bedürfte es weit bewussterer, klar abgestimmter Phrasierung der tragenden Motive in allen Stimmen (Janine Jansen und Borsi Brovtsyn, Violine; Maxim Rysanov, Cello; Torleif Thedéen, Cello). So ist Zurückhaltung in den tiefen Stimmen zwar oft geboten, doch entscheidend ist, ob es gelingt, dass die Aufmerksamkeit des Hörers stets unmittelbar auf das gelenkt wird, was gerade die wichtigste Aussage ist, und das kann mitunter im vielstimmig organisierten Satz sehr schnell von Stimme zu Stimme wechseln. Figurationen, Haltetöne sind mit größter Vorsicht einzubringen, die motivischen Bildungen, modulatorischen Aktionen müssen hervortreten, als lenkende Momente der Energie zum Einsatz kommen. Hier wäre noch viel Arbeit zu leisten, um eine wahrhaft vollendet zu nennende Wiedergabe dieses Meisterwerks bis zu seinem herrlich zyklischen Ende zu erreichen – eine Wiedergabe, in welcher tatsächlich von bezwingendem Zusammenhang innerhalb jedes Satzes die Rede sein könnte. Wenn man zudem, wie hier, die Wiederholung der Exposition des Kopfsatzes spielt, wird die Korrelationsfähigkeit auf eine extreme Probe gestellt, denn es genügt ja keinesfalls, einfach deshalb etwas zu machen, weil es so dasteht. Ich würde generell empfehlen, diese Wiederholungszeichen nicht zu beachten, um stattdessen eine kontinuierliche Entwicklung zu ermöglichen. Was mich am meisten gestört hat bei dieser Aufnahme, sind die schlingernden Rubati im dritten Satz nach übertriebener Pianisten-Manier, wo die Begleitrhythmik ein klares Momentum vorgibt, das eigentlich nur eine sehr subtile Rubatoverwendung vertragen würde.
Im Klarinettentrio, dem wunderbar melancholischen Geschwisterstück zum Quintett, verzaubern uns Fröst und der wie so oft vorzügliche Roland Pöntinen am Klavier, und Torleif Thedéen ist redlich bemüht, die selbe Qualität an Finessen zur Verfügung zu stellen. Sehr innig und geschmackvoll ist die Darbietung der sechs Lieder in der ‚Vocalise’-Fassung für Klarinette und Klavier: ‚Die Mainacht’, ‚Mädchenlied’, ‚Immer leiser wird mein Schlummer’ (in der instrumentalen Version wird die Ähnlichkeit zum Cellosolo aus dem 2. Klavierkonzert umso offenkundiger), ‚Wie Melodien zieht es mir’, ‚Vergebliches Ständchen’ und ‚Feldeinsamkeit’ – als feinfühlige Übergangs-Intermezzi zwischen den beiden Großwerken.
Christoph Schlüren [09.07.2014]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Quintett h-Moll op. 115 für Klarinette, 2 Violinen, Viola und Violoncello | 00:37:46 |
5 | Die Mainacht op. 43 Nr. 2 | 00:03:32 |
6 | Mädchenlied op. 107 Nr. 5 | 00:01:31 |
7 | Immer leiser wird mein Schlummer op. 105 Nr. 2 | 00:03:12 |
8 | Wie Melodien zieht es mir op. 105 Nr. 1 | 00:02:09 |
9 | Vergebliches Ständchen op. 84 Nr. 4 (Volkslied) | 00:01:31 |
10 | Feldeinsamkeit op. 86 Nr. 2 | 00:03:22 |
11 | Trio a-Moll op. 114 für Klarinette, Violoncello und Klavier | 00:24:33 |
Interpreten der Einspielung
- Martin Fröst (Klarinette)
- Roland Pöntinen (Klavier)
- Thorleif Thedéen (Violoncello)