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Besprechung CD

cpo 777 832-2

1 CD • 62min • 2010

20.02.2014

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

E. T. A. Hoffmann war als Schriftsteller einer der Protagonisten des romantischen Aufbruchs, und führte als Karikaturist eine unbotmäßig spitze Feder. Beruflich hat er, 1776 in Königsberg als Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann geboren und von Seiten beider Eltern aus Juristenfamilien stammend, die Laufbahn eines preußischen Beamten eingeschlagen, nachdem er alle juristischen Examina mit der Note „vorzüglich“ bestanden hatte.

Doch die Musik war sein Lebenstraum. 1805 hat er aus Verehrung für Mozart seinen dritten Namen Wilhelm durch Amadeus ersetzt. Damit brachte er die vom Komponisten selbst nie verwendete lateinische Form des zweiten Namensteils in Umlauf – Mozart selbst hatte seinen Namensteil „Theophilus“ (Gottlieb) zunächst in Amadeo verändert, später stets Amadé verwendet.

1806 verlor Hoffmann seinen Posten im damals kurzzeitig preußischen Warschau durch die französische Eroberung der Stadt; in den folgenden Jahren unternahm er verschiedene Versuche, die Musik zu seinem Lebensberuf zu machen – u. a. als Musikdirektor in Bamberg. Daneben entfaltete er seit 1809 eine rege schriftstellerische Tätigkeit, die sich ihm im Unterschied zu seiner musikalischen Wirksamkeit höchst erfolgreich entwickelte. 1814 kehrte er als Jurist in den preußischen Staatsdienst zurück, wurde 1816 Kammergerichtsrat und konnte dieser ungeliebten Laufbahn angesichts verschiedener erfolgloser Bewerbungen auf Kapellmeisterstellen bis zu seinem Tod 1822 nicht mehr den Rücken kehren.

Die vorliegende CD vereint zwei große Werke der katholischen Kirchenmusik, mit der Hoffmann durch sein berufliches Wirken im preußischen Teil Polens in Berührung gekommen war und für die er – obwohl zeitlebens Protestant – eine tiefe Zuneigung entwickelt hatte. Besonders das Miserere „vermittelt den Eindruck eines musikalischen Pendants zu den Bildern der Nazarener; es atmet den Geist der romantisch-religiösen Schwärmerei des frühen 19. Jahrhunderts“, wie Werner Keil im Beiheft treffend formuliert. Hoffmann war offensichtlich stolz auf dieses Werk: 1809 fertigte er von der Partitur eine kalligraphische Reinschrift an, die er an den Zürcher Verleger Nägeli schickte. Dieser zeigte freilich kein Interesse an dem Stück. 1812 übersandte er die Noten dem Fürsten Nikolaus Esterházy nach Wien; dort verschwanden sie im Musikarchiv der Magnatenfamilie und wurde erst 1974 wiederentdeckt.

Während seiner Jahre als Regierungsrat im preußischen Teil Polens ist zwischen 1803 und 1805 die Messe in d-Moll entstanden, „welche ich bis jetzt für mein bestes Werk halte“, so der Komponist 1805. Vor die Messe hat Rupert Huber an den Anfang der CD die 1807 geschriebene Ouvertüre D-Dur gesetzt, eine passende Hinleitung zu der repräsentativen Messkomposition. Mit einer knappen halben Stunde Aufführungsdauer ist die Messe nicht eben lang, schlägt allerdings feierliche Töne an – man könnte sie fast eine Petite Messe solennelle nennen, falls der Titel nicht schon durch ein ungleich genialeres Werk gleichen Namens, das ein halbes Jahrhundert später entstand, besetzt wäre. Das soll die Qualität dieser Kompositionen nicht mindern, wenn sie auch über hochbegabtes Dilettantentum kaum hinausreicht, Hoffmanns Genie war zweifellos in erster Linie ein dichterisches – ihm ist weder von Zeitgenossen noch von der Nachwelt Unrecht geschehen, wenn seine musikalische Begabung in seiner künstlerischen Breitenwirkung im Schatten der Schriftstellerei blieb.

Dennoch ist der Einsatz von Rupert Huber mit den Ensembles des WDR und seinen vorzüglichen Solisten dankenswert und zu loben. Die dramatischen Akzente der Messe werden von Solisten wie Chor eindringlich gestaltet, dass die Textverständlichkeit im Chor dabei häufig auf der Strecke bleibt, dürfte auch bei Aufführungen zur Entstehungszeit des Werkes eine kaum zu umgehende Gefahr dargestellt haben – schließlich kamen damals groß besetzte Chöre in Mode, der Text der Messe ist freilich einer größeren Zahl von Zuhörern ohnehin vertraut gewesen. Zu dem harmonisch agierenden Solistenquartett der Messe gesellt sich für das Miserere noch Sibylla Rubens hinzu, die sich stilkundig und engagiert in den Dienst am unbekannten und auch etwas verkannten Werk stellt.

Fazit: Wenn man Hoffmanns beiden geistlichen Kompositionen nicht mit allzu großen Erwartungen als ungerecht in Vergessenheit geratene Meisterwerke überfrachtet, ist diese CD eine lohnende Entdeckung und wird, nicht zuletzt wegen der Begeisterung, mit der sich die Musiker dieser Musik widmen, auch bei mehrmaligen Anhören nicht langweilig.

Detmar Huchting [20.02.2014]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
1Missa d-Moll AV 18 00:31:16
8I. Miserere mei, Deus, Adagio 00:30:28

Interpreten der Einspielung

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