BIS 1999
1 CD/SACD stereo/surround • 71min • 2012
27.12.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Beethovens vorletzte und Schuberts letzte Sonate, dazu das nachgelassene cis-Moll-Nocturne, das Chopin kurz vor seinem Abschied von der Heimat komponierte: Ich kann mich des begründeten Verdachts nicht erwehren, dass Menahem Pressler, der Pianist des Beaux Arts Trios, mit diesem Recital so etwas wie ein musikalisches Lebewohl formulieren wollte. Immerhin war er, der kürzlich (am 16. Dezember) seinen 90. Geburtstag feierte, bei der Aufnahme schon 88 – und selbst optimistische Geister werden beipflichten, dass da der größte Teil einer Karriere vorbei sein dürfte.
Wer nun aber von Presslers Umgang mit diesen „letzten Dingen“ ein larmoyantes Rührstück oder jene Art der Abgeklärtheit erwartete, die man nur deswegen durchgehen lassen würde, weil Senioren einen Freifahrtschein besitzen – der sieht sich ebenso ge- oder vielleicht sogar enttäuscht wie alle, die hinter der „Interpretation“ am Ende gar auf einige versteckte Vorwürfe hoffen, auf eine verschlagene Generalabrechnung womöglich, wie sie geringeren Gestalten so leicht von den Lippen oder aus der Feder quellen und auf die man in eitler Selbstquälerei hurtig aufspringen kann.
Nichts dergleichen! Vielmehr legt Menahem Pressler eine echte, weil bescheidene Größe an den Tag, die sich vor allem darin äußert, dass er hinter die Größe der Werke und ihrer Schöpfer zurücktritt, um sich mit ihnen aufzuschwingen – nicht als Deuter, der eine staunende Zuhörerschaft mit seinen Erkenntnissen überwältigen und den also Betäubten demonstrieren will, dass sich die Geheimnisse erst und einzig durch ihn erschlössen, wenn er sie denn mit uns zu teilen bereit wäre, sondern als ein Musiker, der sich an der Existenz dessen freut, was er dank einer (immer noch beachtlichen) Technik zu spielen im Stande ist. Das haben wir schon im Kopfsatz des Beethovenschen Opus 110 weg, sobald die leggieremente markierten Zweiunddreißigstel zu den fein schattierten und pulsierenden Baß-Achteln dahinperlen, das spüren wir in den beiden fugierten Finalteilen, deren letzter sich in einer völlig entspannten, freudigen Befreiung löst – als träte einer nach langer labyrinthischer Mühe in ein unerwartet frühlingshaft leuchtendes Licht hinaus ...
So verleiht Pressler vor allem auch Schuberts symphonischer B-Dur-Sonate ein ganz ungewöhnliches Aussehen. Da sagt keiner zum Abschied leise „Servus“, da trotzt auch keiner wie ein bockiges, unverstandenes und verständnisloses Kind: Nach den harmonischen und lyrischen Wanderungen des ersten Satzes – man höre nur in der Durchführung die unglaublichen Abenteuer der leisen Paukenwirbel! – und den unverkennbaren Tröstungen des Andante sostenuto dominiert im Scherzo ein erdverbundener Ton, der im Finale verschiedentlich zu einer beinahe gläsernen Sachlichkeit hinüberschwenkt, die freilich der Poesie des anbetungswürdigen Werkes nicht den geringsten Abbruch tut, sondern lediglich die nötige Balance erzeugt, um wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen. Und die besagen, dass am Ende längst nicht alles zu Ende ist. Das alles samt dem zugegebenen Chopin-Nocturne vollzieht sich mit einer bewundernswürdigen Natürlichkeit und klingt genau deshalb so lange in uns nach, weil nichts Gemachtes und nichts Aufgesetztes das Spiel trübt.
Rasmus van Rijn [27.12.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110 | 00:20:15 |
Franz Schubert | ||
4 | Klaviersonate B-Dur D 960 op. posth. | 00:45:07 |
Frédéric Chopin | ||
8 | Nocturne cis-Moll op. posth. Browne 49 | 00:04:06 |
Interpreten der Einspielung
- Menahem Pressler (Klavier)