Pianorchestra
Ars Produktion 38 139
1 CD/SACD stereo/surround • 17min • 2013
25.10.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein Portrait-Album eines jungen Pianisten, das sich mit einem etwas gewagten Kunstausdruck „Pianorchestra“ nennt und damit suggeriert, hier werde das Klavier so farbenreich und vielstimmig wie ein Orchester behandelt, läßt nicht gerade auf quälerische Selbstzweifel schließen. Die würden freilich dem Typus des Virtuosen auch nicht gut zu Gesicht stehen; François-Xavier Poizat hat recht, wenn er mit dieser Produktion neben seiner außer Frage stehenden technischen Perfektion auch die berühmte ehrfurchtsgebietende Pranke zeigt. Hier spielt, daran besteht kein Zweifel, ein Ausnahmetalent, von dem man noch viel hören wird. Wohlgemerkt ist diese Kompilation nicht das tatsächliche Debüt des französisch-schweizerischen Pianisten; Poizat hat bereits für Naxos ein romantisches Klavierkonzert eingespielt. Doch „Pianorchestra“ bildet die beeindruckenden Talente Poizats so gut und umfassend ab, daß man gleichsam von einem offiziellen Debüt sprechen könnte. Es spricht für den 24jährigen Poizat, Schüler von Alexei Golovine und Evgeni Koroliov, daß er nicht seine stupende Geläufigkeit als Hauptsache vorstellt; sie versteht sich gleichsam von selbst. Eher wird in den überwältigenden Passagen, etwa dem Finale aus Tschaikowskijs Nußknacker-Suite in der Bearbeitung Mikhail Pletnews, zum Ereignis, wie kontrolliert, ja, geradezu kühl Poizat die wuchernde Vielstimmigkeit anordnet. Er realisiert damit eine analytische Transparenz, welche nicht nur Durchhörbarkeit als Selbstzweck anstrebt, sondern eine eigene ästhetische Qualität hat: Selbst komplexeste Strukturen wie die Gleichzeitigkeit von Vorder- und Hintergrund in Samuel Feinbergs Bearbeitung von Tschaikowskijs Scherzo aus der Pathétique erscheinen in vollendeter, schier diamantenhafter Klarheit. Dazu zeigt Poizat eine formale Sicherheit, die es ihm erlaubt, die Kräfteverhältnisse dieses Satzes so überlegen zu disponieren, daß erst die letzten Sekunden den Hörer vollends aus der Kurve tragen. Poizats analytische Meisterschaft ist auch der Grund dafür, daß sich seine Version der bekanntlich immens schwierigen „Drei Sätze“ aus Strawinkys Ballett Petrushka gegenüber der nach wie vor maßstabssetzenden Einspielung Pollinis für die Deutsche Grammophon aus den 1970er Jahren durchaus behaupten kann. Was Poizat Pollini sogar voraus hat, ist ein unerschrockener, energischer Zugriff, eine effektvolle kühne Attitüde, welche etwa das dritte Tableau der „Drei Sätze“ auf formal überlegene Weise als Einheit zusammenschmiedet. Auch die Dämonie des Mephisto-Walzers von Liszt oder der Charme von Arcadi Volodos´ Bizet-Bearbeitung aus Carmen teilen sich unmittelbar mit, weil Poizat nicht nur über Virtuosität, Brillanz und nicht zuletzt diejenige Farbpalette verfügt, die tatsächlich eines imaginären Orchesters würdig ist, sondern auch über Spielfreude; über diese freilich verliert er nie die Kontrolle, er wahrt gleichsam stets Façon. Diese Selbstbeherrschung, von der präzisen Tontechnik adäquat eingefangen, trägt wesentlich zur atemberaubenden Wirkung dieser Produktion bei.
Prof. Michael B. Weiß [25.10.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Mephisto-Walzer Nr. 1 A-Dur S 514 R 181 | 00:11:57 |
Igor Strawinsky | ||
2 | Drei Sätze aus Petruschka (Danse russe, Chez Petruchka, La semaine grasse) | 00:16:57 |
5 | Der Nußknacker op. 71a (Suite; Bearb. für Klavier) | 00:18:06 |
Samuil Evgenievitch Feinberg | ||
12 | Scherzo op. 31 Nr. 3 (Bearb. 3. Satz aus Sinfonie Nr. 6 h-moll op. 7 - Pathétique - von P. Tschaikowsky) | 00:09:34 |
Georges Bizet | ||
13 | Aragonaise (Entr'act nach dem 3. Akt; aus: Carmen; Bearb. für Klavier: Arcadi Volodos) | 00:02:01 |
Interpreten der Einspielung
- François-Xavier Poizat (Klavier)