Ricercate, Canzoni, Toccate & Capricci
Ambiente ACD-2023
1 CD • 76min • 2010, 2011
18.01.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gottlieb Muffat (1690-1770) war der Sohn seines berühmten Vaters, Georg Muffat (1653-1704). Insbesondere im Nachleben ist dies kein einfaches Schicksal, wie an den Söhnen J. S. Bachs festzustellen ist: Seit der romantischen Bach-Renaissance standen sie lange im Schatten ihres berühmten Vaters und erfahren erst seit dem Aufkommen der Alte-Musik-Bewegung mehr und mehr eine gerechte Beurteilung. Im 18. Jahrhundert war das freilich anders: Wer zu Mozarts Zeiten von „Bach" sprach, meinte Carl Philipp Emanuel und nicht Johann Sebastian – das war der Vater Bach, verzopft gekünstelt für die Modernen, bewundertes Vorbild in den althergebrachten Künsten für diejenigen, die über den Tellerrand ihrer Zeit gucken konnten, Mozart selbst eingeschlossen.
Auch wenn er erst 14 Jahre alt war, als sein Vater starb, bekam Gottlieb Muffat von Haus aus einen weiten musikalischen Horizont mit auf den Weg, war sein Vater Georg, aus Savoyen gebürtig, doch mit zehn Jahren zu Lully nach Paris in die Lehre gekommen und im Laufe seiner weiteren Ausbildung in Italien gewesen, wo er bei Arcangelo Corelli die Kunst des neuartigen Concerto Grosso studiert hatte. 1690, im Geburtsjahr des Sohnes Gottlieb, war Georg Muffat in die Dienste des Passauer Fürstbischofs getreten. Wie nur wenige Zeitgenossen gleichfalls mit dem italienischen wie auch dem französischen Stil vertraut, hat Georg Muffat in beiden Richtungen Meisterwerke hinterlassen und ist überdies durch seine aufführungspraktischen Anweisungen für die musikwissenschaftliche Grundierung stilgerechter Aufführungen der Musik seiner Epoche zu einer wichtigen Forschungsquelle geworden.
Gottlieb hat es als einziger der vier Söhne Georg Muffats, die alle Musiker wurden, zu Berühmtheit gebracht: Er kam nach dem Tod des Vaters 1704 nach Wien und wurde dort von Johann Joseph Fux ausgebildet. Fux, der süddeutsche Kontrapunktpapst seiner Zeit, hielt bis zu seinem Tod 1741 seine Hand über diesen von ihm offensichtlich hoch geschätzten Schüler. Schon 1716 wurde Gottlieb Muffat zum kaiserlichen Hof- und Kammerorganisten Karls VI. ernannt, er unterrichtete auch die Erzherzogin Maria Theresia in Musik, und sie ernannte ihn bei ihrer Thronbesteigung 1740 zum Ersten Hoforganisten. Seit 1764 pensioniert, ist Muffat 1770 achtzigjährig gestorben; bis in seine letzten Tage stand er am Wiener Hof hoch in Ehren. Sein auf den heutigen Tag überliefertes Werk besteht fast ausschließlich aus Musik für Cembalo oder Orgel, wenn auch ein Salve Regina für Sopran, Alt und Streicher, eine Sonata Pastorale sowie drei kürzlich wieder aufgefundene Cembalokonzerte einen breiteren Schaffenshorizont andeuten.
Auf der zeitgerechten Sieber-Orgel von 1714 der Michaelerkirche in Wien präsentiert Pier Damiano Peretti ein breit gefächertes Porträt des Orgelmeisters Gottlieb Muffat, das von der engen Bindung der hochmusikalischen Habsburger, deren „Hausorganist" Muffat ja war, an die vorzugsweise italienische Tradition ebenso zeugt wie von der meisterlichen Beherrschung des modernen „vermischten" Stils, in dem er sich äußerst gewandt zwischen französischen und italienischen Einflüssen hin- und herbewegt.
Der 1974 in Vicenza geborene Pier Damiano Peretti ist als ehemaliger Student im Erasmus-Programm der Europäischen Union und als Schüler von Herbert Tachezi und Michael Radulescu bestens mit der gesamten europäischen Tradition, in der Gottlieb Muffat wurzelte, vertraut. Unter seinen Händen entsteht in der vielfarbigen Klanglichkeit der herrlichen Orgel, die 1987 durch den legendären Orgelbaumeister Jürgen Arend aus Leer in Ostfriesland in ihrem ursprünglichen Zustand von 1714 wiederhergestellt wurde, ein ebenso authentisches wie fesselndes Kaleidoskop der Orgelmusik am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Detmar Huchting [18.01.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gottlieb Muffat | ||
1 | Toccata Decima in c | 00:03:15 |
2 | Capriccio 10.mo in c | 00:02:36 |
3 | Caprice in C | 00:02:21 |
4 | Toccata Quarta in c | 00:02:35 |
5 | Ricercata 24.ta in a | 00:05:01 |
6 | Capriccio 4.to in e | 00:02:10 |
7 | Toccata Undecima in A | 00:02:37 |
8 | Cpariccio 4.to in A | 00:02:50 |
9 | Ricercata 30.ma in d | 00:03:09 |
10 | Caprice in D | 00:02:58 |
11 | Canzona 15.ma in B | 00:02:22 |
12 | Ricercata 28.ma in F | 00:05:00 |
13 | Toccata Decima Tertia in d | 00:03:50 |
14 | Canzona 8.va in d | 00:03:00 |
15 | Capriccio 20.mo in G | 00:04:00 |
16 | Ricercata 20.ma in d | 00:05:56 |
17 | Capriccio 12.mo in g | 00:01:16 |
18 | Canzona 7.ma in g | 00:04:26 |
19 | Toccata Quinta in C | 00:02:47 |
20 | Capriccio 23.tio in C | 00:03:26 |
21 | Caprice in e | 00:02:47 |
22 | Canzona 6.ta in e | 00:03:19 |
23 | Capriccio 14.to in g | 00:01:22 |
24 | Canzona Ultima in G (Pastorella) | 00:03:13 |
Interpreten der Einspielung
- Pier Damiano Peretti (Orgel)