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Besprechung CD

Georg Phillipp Telemann

Wind Concertos Vol. 7

cpo 999 907-2

1 CD • 67min • 2009, 2010, 2011

20.02.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Telemann, Complete Wind Concertos Vol. 7! Bereits in meiner Rezension zum Vol. 3 (2008) habe ich die Frage gestellt, ob das respektable Produktionsvorhaben einer Gesamtaufnahme nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand der Forschung geplant sei oder nach irgendeiner anderen Auswahl? Selbst das aktuelle Beiheft Nr. 7 vermeidet noch eine eindeutige Aussage. So schreibt Professor Wolfgang Hirschmann als Projektleiter des Magdeburger Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung im Einleitungssatz seiner fundierten Werkerläuterungen: „Die sechs Konzerte dieser siebten und vorletzten (!) Folge unserer CD-Reihe mit allen überlieferten (!) Bläserkonzerten machen nochmals die gesamte stilistische Spannbreite der Telemannschen Konzertkunst erfahrbar." Die stilistische Spannbreite stimmt und unterstreicht die Bedeutung des Projektes. Was aber bedeutet die Einschränkung auf „überlieferte" Bläserkonzerte? Fraglos sind doch alle im TWV (Telemann-Werkverzeichnis von 1999) erfaßten ca. 130 einschlägigen Titel „überliefert"! Aus diesem Fundus werden hier also in Kürze maximal 45 Kompositionen als klingende Dokumentation einen bedeutsamen Bläserbeitrag zur Telemannpflege leisten.

Soweit die vorliegende Rezension eine Zwischenbilanz zum künstlerischen Ergebnis der Interpretationen, zur Aufnahme- und Wiedergabepraxis für die aktuelle CD zu ziehen hat, wird der bekannt hohe Aufführungsstandard dank der konstant hohen Ansprüche des Ensembles La Stagione Frankfurt unter der Leitung seines Travers- und Blockflötenspezialisten Michael Schneider bekräftigt. Wiederum gibt es Lorbeerkränze für die konzertierenden Bläsersolisten zu verteilen. Vorrangig genannt seien Lorenzo Coppola und Tindaro Capuano als sensible und zugleich virtuos geschulte Beherrscher einer kaum bekannten, eher exotischen Instrumentengattung, dem Chalumeau. Nicht nur eine ästhetisch verträgliche Beherrschung dieses Prototyps der Klarinettenfamilie ist eine Rarität, sondern generell seine Verwendung in authentischen Besetzungen alter Musik. Ein Foto zur Illustration dieser zugleich intim-zarten wie virtuos herausfordernden Duettklänge wäre hilfreich. Telemanns Zeitgenosse Mattheson beklagte damals offensichtlich verbreitete Bläserschwächen und schrieb 1713, man sollte die Chalumeaux nur „auff dem Wasser zum Ständchen, und zwar von weiten hören lassen". Weiterer Applaus gilt darum für eine unvergleichliche Leistung mit „Höhenrausch" dem exzellenten Meisterbläser Jörg Schulteß auf dem Corno da caccia und der barocken Spieleleganz des Fagottisten Sergio Azzolini.

Dass Michael Schneider als Ideenträger und künstlerisch leitender Impulsgeber des Ganzen eine Sonderfunktion übernimmt und wiederholt in Karl Kaiser einen nicht minder versierten Duopartner als vertrauten Telemann-Repräsentanten der Travers- und Barockflötistenzunft gefunden hat, trägt zur entscheidenden Wirkung insgesamt authentisch inspirierter Aufführungspraxis bei. Es ist ein zusätzliches Ergebnis dieser Serie, dank der Konzentration auf barocke Bläserkonzerte ein außerordentlich wichtiges Korrektiv für die stilgerechte Phrasierung, Betonungsmanieren und Dynamik konsequent bewußt gemacht zu haben. Herausgefordert werden durchaus neue, vor allem musikalisch überzeugende Lösungen in der Klangbalance für die oft zur Dominanz neigenden Streicheraufgaben. Auch die nahezu regelmäßig temperamentvoll überzogene Tempi der schnellen Sätze und eine barock-mißverstandene, übertriebene Betonungs-Euphorie der Taktschwerpunkte scheinen sich als typische Streichergewohnheiten apodiktisch verfestigt zu haben.

Nun aber erzwingen die Bläser dank museal und physikalisch rekonstruierter Instrumente mit Barock-Intonation, spezieller (meist klappenarmer) Griffapplikatur, Intonationsfragen und dynamisch eingeengter Mensur, Artikulation, Lippenansatz und Atemtechnik ein entsprechend angepaßtes Einfühlungsvermögen der Saiteninstrumente. Für den barocken Geigenbau bedeutet dies andere Proportionen der Resonanzkörper, Steghöhe mit geringerem Darmsaitenabstand zum Griffbrett und barocker Bogenführung und Bogenspannung mit der Folge einer prinzipiell weicheren „Gambenklanglichkeit". Vieles wird jedoch in der Spielpraxis – im Verhältnis zur Physik der Blasinstrumente – immer noch viel zu „modern", Stradivari-voluminös und üppig aus den theoretischen Quellen umgesetzt. Zu diesen bisher in den Beiheften kaum erwähnten Aspekten barocker Geisteshaltung und Klangperspektiven im Konzertwesen wird zum Abschluß dieser spektakulären CD-Serie sicherlich noch einiges Interessante und Wissenswerte von dem Magdeburger Forschungszentrum zu erwarten sein. Es bleibt also weiterhin alles spannend bis hin zu einem preiswürdigen Finale!

Dr. Gerhard Pätzig [20.02.2012]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Georg Philipp Telemann
1Concerto c-Moll TWV 51:c2 für Oboe, Streicher und B.c. 00:07:09
5Concerto F-Dur TWV 43:F2 für 2 Schalmeien, Violinen und B.c. (Quartetto) 00:11:20
9Concerto A-Dur TWV 53:cA1 für 2 Flöten, Fagott, Streicher und B.c. 00:08:35
13Concerto F-Dur TWV 52:F1 für Blockflöte, Fagott, Streicher und Basso continuo 00:18:07
17Concerto d-Moll TWV 52:d1 für 2 Schalmeien, Streicher und B.c. 00:12:42
21Hornkonzert D-Dur TWV 51:D8 00:08:41

Interpreten der Einspielung

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