Rautavaara
Pekka Kuusisto
Ondine ODE 1177-2
1 CD • 71min • 2010
15.07.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Ich bin sehr geschmeichelt und überrascht, wenn jemand etwas Lohnendes in meinen Kompositionen entdeckt. Doch es mag auch noch so unmoralisch sein: Grundsätzlich schreibe ich meine Musik für mich selbst und niemanden sonst. Ich brauche sie, um mir ein eigenes Universum aufzubauen."
Wollten wir diese Worte des heute 83-jährigen Einojuhani Rautavaara als bare Münze auf die Goldwaage legen, dann müßten wir in letzter Konsequenz fragen, wie er denn überhaupt im Laufe seines langen Lebens jemals etwas „im Auftrage" habe komponieren können – wie etwa die Verlorenen Landschaften, die 2005 für Midori entstanden, oder den Dithyrambos und die Variétude, mit denen er 1970 bzw. 1974 die Preisausschreiben für die Pflichtstücke des Internationalen Sibelius-Violinwettbewerbs gewann. Außerdem wäre jede Rezension, gleich welcher Couleur, völlig überflüssig, denn ob sich jemand sein eigenes Universum mit der „Schrankwand Eiche rustikal" oder lieber mit einer freien, oftmals aus dem Geiste des Impressionismus entstandenen Tonkunst ausstattet, das ist ganz und gar seine persönliche Angelegenheit.
Doch im Grunde ist die Aussage nichts als ein schöpferischer Allgemeinplatz: Selbst Götter erwägen nach Abschluß ihrer Kreation, ob denn auch wirklich „alles gut war", und auch sie können sich irren wie Maler, Musiker und Märchenerzähler. Im vorliegenden Falle darf Rautavaara mit sich freilich wieder einmal ebenso zufrieden sein wie mit den beiden jungen finnischen Interpreten, die sich bravourös, empfindsam und risikofreudig durch die zwischen 1952 und 2008 geschriebenen Kompositionen hindurchspielen. Als sehr angenehm wird dabei empfunden, dass sich keines der Stücke in epische Breiten verliert, sondern selbst in Momenten der wehmütigen Erinnerung – die vier Sätze der Verlorenen Landschaften widmen sich wie ein kleines, subjektives Fotoalbum verschiedenen bedeutenden Aufenthaltsorten – recht konzentrierte Formate offeriert und überdies oft genug mit Temperamentsausbrüchen verblüfft, die im Gegensatz zum statischen Gewusel der Neuzeit tatsächlich zielgerichtet sind: Notturno e danza etwa aus dem Jahre 1993 oder auch die beiden Wettbewerbsstücke, der Dithyrambos mit Klavierbegleitung und die raffinierte Variétude für Sologeige prägen sich ein, verlangen geradezu nach wiederholtestem Hören und haben somit auch Platz in den Universen „der anderen".
Manches ist ganz einfach schön. Tanglewood zum Beispiel, der erste Satz der Landschaften, scheint sich förmlich aus Claude Debussys Brouillards zu erheben, die Sommergedanken (1972/2008) treiben wie im Zeitraffer ihre reichen Blüten, die 1970 fragmentarische beiseite gelegten und fast vierzig Jahre später zu Ende komponierten April-Linien verbreiten überzeugend eine halbfrostige, vielfach schattierte Atmosphäre.
Ans Ende der Produktion haben Pekka Kuusisto und Paavali Jumppanen die berühmten Pelimannit ("Fiedelspieler") aus dem Jahre 1952 gestellt. Das ist zwar eine Klaviersuite, doch Kuusisto gibt vor jedem Satz die originale finnische Melodie, die dem jungen Rautavaara als Vorlage diente, und wir werden erstaunt bemerken, dass das finnische und das ungarische Temperament keineswegs so weit voneinander entfernt sind wie die beiden Regionen, in denen sich das Volk vor langer Zeit niedergelassen hat.
Rasmus van Rijn [15.07.2011]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Einojuhani Rautavaara | ||
1 | Lost Landscapes | 00:20:33 |
5 | Summer Thoughts | 00:04:28 |
6 | April Lines | 00:08:55 |
7 | Notturno e danza | 00:07:18 |
9 | Variétude | 00:06:01 |
10 | Dithyrambos op. 55 für Violine und Klavier (1970) | 00:02:22 |
11 | Pelimannit op. 1 für Klavier (Die Fiedler, Suite nach trad. finnischen Polka-Weisen für die Fiedel) | 00:20:03 |
Interpreten der Einspielung
- Pekka Kuusisto (Violine)
- Paavali Jumppanen (Klavier)