Sony Classical 88697766042
1 CD • 31min • 2010
30.06.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Unter den aufstrebenden Künstlerinnen der jüngeren Generation ist die 24jährige Pianistin Khatia Buniatishvili sicher eine der auffälligsten – und vielleicht auch die exzentrischste. Die Georgierin, längst im Westen angekommen, besitzt neuerdings sogar einen Exklusivvertrag mit Sony. Zum Einstieg wählte sie ein Liszt-Programm. Warum? Weil es dies möglich mache, „die vielen Facetten meiner Seele in ihrer Einheit zu präsentieren". So hochgemut und selbstbewusst klingt ihr mehr oder minder philosophisches Bekenntnis im Beiheft. Fast könnten wir darob vergessen, dass sie auch eine phantastische Interpretin ist. Dass ihr, die von Gidon Kremer und Martha Argerich protegiert wird, der subjektive Ausdruck wichtig ist, mag kaum verwundern. Dieser Strang wird, bei technisch superber Überlegenheit, konsequent durchgezogen. Extreme – in der Dynamik, in den Tempi, in den Emotionen – werden angesteuert. Der rhetorische Charakter herrscht vor.
Das Zentrum der Liszt-Huldigung ist die große h-Moll-Sonate. Khatia Buniatishvili geht es dabei nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um strukturelle Zusammenhänge, sondern um (natürlich „seelische") Stimmungen. Diese wiederum hängen mit dem „Faust"-Motiv zusammen, das als gar nicht so geheimes Motto das ganze Werk durchzieht und es zu einem „Schlüssel zum Universum" (Buniatishvili) macht. In diesen Rahmen spannt die Pianistin auch die übrigen Stücke, eröffnet sinnigerweise vom As-Dur-Liebestraum und, nach dem Ersten Mephisto-Walzer, beschlossen von La lugubre gondola sowie zwei Bach-Bearbeitungen Liszts. Typisch übrigens, dass Buniatishvili in der „Gondola"-Spätschöpfung weniger die kühne, innovative Tonsprache des alten Liszt herausstreichen möchte als vielmehr den „Kampf zwischen Leben und Tod" samt den „letzten Schlägen eines sterbenden Herzens".
Khatia Buniatishvili ist eine Meisterin der Verkleidung. Das ist durchaus doppeldeutig gemeint. Sie liebt das Spiel mit Kleidern, als sei sie ein exklusives Fashion-Model, von tiefschwarz mit Zylinder bis zum weißen Brautkleid. Und dies wiederum hängt mit der Tatsache zusammen, dass sie sich gerne als Selbstdarstellerin inszeniert. Dafür ist namentlich die beigefügte Kurz-DVD tauglich. Ein viereinhalbminütiger Film in horrendem Schnitttempo, in welchem die Georgierin zu angepassten Liszt-Klängen glattwegs alle Rollen im faustischen Aperçu selber spielt: Gretchen, „die unschuldige Seele im Körper einer Frau" – Mephisto, „Wollust, Geld, Glamour, Boheme" – Faust, „ein zweifelndes Genie, ein Mensch mit einem Bedürfnis nach Liebe" (alles Originalzitate von Khatia Buniatishvili).
Mario Gerteis † [30.06.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Liebestraum Nr. 3 As-Dur op. 62 S 541 | 00:05:28 |
2 | Klaviersonate h-Moll S 178 | 00:31:00 |
5 | Dance in the Village Inn No. 1 A major S 514 R 181 – Allegro vivace | 00:11:02 |
6 | La lugubre gondola S 200 Nr. 2 | 00:09:39 |
7 | Präludium und Fuge a-Moll S 462/1 (nach Bach BWV 543) | 00:10:00 |
Interpreten der Einspielung
- Khatia Buniatishvili (Klavier)