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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Freddy Kempf

Rachmaninov • Bach/Busoni • Ravel • Stravinsky

BIS 1810

1 CD/SACD stereo/surround • 64min • 2010

23.03.2011

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Wie es der oft beschworene Zufall will: Vor kurzem saß ich am Stadtrand im beliebten, zu Ostern, zu Pfingsten, während der Mozartwoche und vor allem im Sommer von vielen Festspielgästen besuchten Salzburger Laschensky-Gasthaus. Und dies nicht nur, um zu speisen, sondern es war ein Treffen mit dem Pianisten Peter Lang verabredet. Lang profitierte in seinen Jugendjahren als ein wirklich echter Schüler von Friedrich Gulda. Seit vielen Jahren lehrt er als Professor am Salzburger Mozarteum, das inzwischen vom Konservatorium zur Hochschule avancierte. Ich erzähle dies, weil Lang just in jenem Jahr zur Jury des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs gehörte, als der junge Freddy Kempf Furore machte, ja mehr noch: das Publikum und auch die Journalisten in der Hauptstadt geradezu auf die Barrikaden brachte. Er wurde auf den undankbaren Dritten Rang zurückplatziert – und dies im heftigen Widerspruch zur öffentlichen und zur veröffentlichten Meinung. Schließlich weiß man ja, wie es im juristisch-politischen Labyrinth des Tschaikowsky-Wettbewerbs immer wieder zu sonderbaren Entscheidungen gekommen ist – zumal in den letzen zwei Jahrzehnten.

Peter Lang rühmte in Erinnerung an den Wettbewerb Kempfs fulminante Darbietung des d-Moll-Konzerts von Rachmaninoff (op. 30). Und generell betonte er die phänomenale Begabung dieses britischen Pianisten, der in seinen jungen Jahren prompt protegiert wurde und schon früh die ersten CDs zur weltweiten Diskussion stellte. Ich muss gestehen, dass ich in dieser gleichsam pianistisch-pubertären Phase des Musikers leise Zweifel angemeldet habe. Aber ich zögerte nicht, mich zu korrigieren, denn in letzter Zeit bewegt sich Kempf auf hohem gestalterischen Niveau. Wenn man es ein wenig marktschreierisch ausdrücken will: er firmiert inzwischen als einer führenden, prägenden Interpreten seiner Generation!

Die vorliegenden Aufnahmen mit vertrauten, in jeder Hinsicht anspruchsvollen Werken der russisch-deutsch-französischen Standardliteratur bezeugen sozusagen selbstverständliche Virtuosität und ein gerütteltes Maß an Eigensinn, was die Pointierung, was die Charakterisierung des Allbekannten anbelangt. Den musikhistorischen Umwegen, Verschleierungen und Offenbarungen der Corelli-Variationen nähert sich Kempf mit Bedacht, nicht unähnlich der zweiten Einspielung von Vladimir Ashkenzay (Decca). Subtil in der thematischen Vorbereitung, überlegen – weil konstruktiv – erklärt er das Werk auf dem Weg durch das verschlungene Variationsabenteuer in Richtung Finale. Dies gilt auch für Kempfs klare, im rechten Moment auch aufbrausende Spur im Bewusstsein von Historie und romantischer Modernität im Namen Busonis, wodurch die Metamorphosen des Bachschen Chaconne-Themas nicht nur den schönen Bildern eines Klavierschauspiels gehorchen, sondern dem faszinierenden Zwang einer kompositorischen Unausweichlichkeit, wie sie – auf je eigene Weise – auch den Einspielungen Benedetti Michelangelis und Alexis Weissenbergs schier unvergesslich eigen ist (und bleiben wird).

Packend, genügend verächtlich im aggressiven Tonfall der tänzerischen Explosivkräfte gelingt Kempf die „Danse russe" am Beginn der Petruschka-Suite. Sehr anschaulich im Folgenden auch die intimeren Berichte aus der näheren Umgebung des nur bedingt glücklichen Ballett-Helden („Chez Pétrouchka“). Im Finale verhält sich Kempf im Zugriff und im Zeitmaß um Nuancen vorsichtiger als Alexis Weissenberg, dessen verschiedene Einspielungen ich nach wie vor als unübertroffen erachte (Pollinis ungemein texttreue DG-Version freilich immer auch im Ohr behaltend!). Überzeugend auch die Ravel-Darbietung in einer zündenden Mischung aus Walzer-Robustheit, Melancholie und fremdartig-französischer Schubert-Verfrachtung. Es handelt sich ja um eines jener Stücke, bei denen ein versierter Pianist nicht allzu viel falsch machen kann. Und Kempf zeigt, wie man im Verlauf der acht Stücke im Bewegten wie im Verhaltenen mit Umsicht nach dem Rechten zu sehen und dies auch verlässlich zu intonieren vermag.

Vergleichsaufnahmen: Rachmaninoff: Corelli-Variationen – B. Glemser (Oehms OC 558), J. Margulis (Ars Musici AM 1362-2), Harada (audite SACD 92.569), Lill (Nimbus Records 5478), Pletnev (DG 459 634-2), Ogdon (EMI 567938 2), Marshev (Danacord DACOCD 525), Babinsky (Capriccio 49295), Ashkenazy (Great Pianists Philips 456 715-2; Decca 455234-2), Watts (Great Pianists Philips 456 985-2), S.Milstein (MPO 222092 ), Nikolsky (Arte Nova 27795 2), Biret (Naxos 8.501005), Thibaudet (Decca 458930-2), Grimaud (Teldec 8573-84376-2), Scherbakov (Naxos 8.554669), O. Kern (Harmonia mundi HMU 907336), Lugansky (Warner 2564 60613-2); Strawinsky: Petruschka-Suite – Kissin (RCA 82876 65390 2), J. Margulis (Ars Musici AM 1362-2), Ueno (Octavia Records OVCX-00027), Weissenberg (Film von A. Falck 1965 und TV-Version /Medici arts DVD 3078048), El Bacha (Triton OVCT-00037), Cabassi (Arte Nova 82876 76969 2), C. Zecchi (Tacet 160), Christopher Park (DG 7596/476382-5), M. Jones (Nimbus Records NI 5519/20), Buechner (Connoisseur Society 4174), Trpceski (EMI 5 57202 2), Dichter (Tschaikowsky-Wettbewerb.1966 /Melodia 52959 2), Bacchelli (Agorà 234.2), Gilels (Great Pianists Philips 456 796-2 ), Weissenberg (Great Pianists Philips 456 988-2), Pollini (Great Pianists Philips 456 937-2), Gilels (Orfeo C 523991 B /Salzburg 17.8.72), Kuschnerova (Ars 38444); Bach/Busoni: Chaconne – Weissenberg (EMI), Benedetti Michelangeli (EMI, Altara Archive 1007).

Peter Cossé † [23.03.2011]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sergej Rachmaninow
1Variationen über ein Thema von Arcangelo Corelli op. 42 00:18:27
24Ciaccona d minor BWV 1004 (from: Partita Nr. 2 d-Moll) 00:13:57
Maurice Ravel
25Valses nobles et sentimentales 00:14:51
Igor Strawinsky
33Drei Sätze aus Petruschka für Klavier 00:15:12

Interpreten der Einspielung

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