Heinrich Ignaz Franz Biber Rosenkranzsonaten
Coviello Classics COV 21008
2 CD/SACD • 2h 05min • 2009
29.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sind nun die Rosenkranzsonaten, Heinrich Ignaz Franz Bibers (1644-1704) heute bekanntestes Werk, Kirchenmusik oder nicht? Zweifellos ist die Thematik religiös, doch zeigen die in die einzelnen Sonaten eingestreuten Tanzsätze, dass hier an Sonate da chiesa nicht zu denken ist, eher liegt hier die Suitenform nahe, die freilich als Musikstück in der Kirche nichts zu suchen hatte. Der Zyklus ist lediglich in einer in der Münchner Staatsbibliothek aufbewahrten prachtvollen Handschrift überliefert, der allerdings das Titelblatt fehlt, so dass auch die genaue Zeit umstritten ist, zu der die Stücke entstanden sind. Peter Wollny plädiert in seinem Beihefttext zu dieser CD für einen eher späten Zeitpunkt der reifen Meisterschaft des Komponisten und setzt die Jahre von 1684-87 an. Biber widmete die Rosenkranzsonaten seinem Dienstherrn, dem Salzburger Fürsterzbischof Maximilian Gandolph von Kuenburg, an dessen kunstsinnigen Hof er sich einst aus dem Dienst des Olmützer Fürstbischofs geflüchtet hatte: 1670 kehrte er von einer Dienstreise nach Tirol, wo er in Absam bei dem berühmten Geigenbauer Jacob Stainer Instrumente für die Hofkapelle kaufen sollte, nicht in die Olmützer Bischofsresidenz Kremsier zurück, sondern setzte sich nach Salzburg ab – vielleicht im Komplott mit dem dortigen Fürsterzbischof, der den genialen jungen Geiger natürlich liebend gern in den Reihen seiner Musiker begrüßte. Aller Protest des Olmützer Kollegen half nicht – die Salzburger Exzellenz war als Primas Germaniae deutlich ranghöher als er, und so konnte man in Kremsier nichts weiter tun, als mit sauren Minen einem entgangenen musikalischen Statussymbol nachzutrauern.
Der Umstand, dass Biber ein bedeutendes Werk wie die Rosenkranzsonaten nicht im Druck herausgab, wie er es sonst häufiger tat – beispielsweise mit dem Sonatenwerk Fidicinium sacro-profanum 1683, weist darauf hin, dass die Rosenkranzsonaten wohl zum privaten Gebrauch durch Maximilian Gandolph bestimmt waren, der sie vielleicht in privaten Andachten an die Gottesmutter in seinen eigenen Gemächern musizieren ließ.
Heute existieren von den Stücken viele und vielfältige Einspielungen: 1967 legte Eduard Melkus eine Aufnahme vor, die mit ihrer groß und farbig besetzten Continuogruppe lange stilbildend wirkte, auch John Holloway folgte dieser Praxis in seiner von 1989 eingespielten Aufnahme, einer der Höhepunkte in der Diskographie dieses außerordentlichen Geigers! Andrew Manze hat sich für seine Einspielung aus dem Jahr 2003 für ein nur mit Orgel/Cembalo besetztes spartanisch kleines Continuo entschieden, das allerdings mit Richard Egarr erstklassig besetzt ist: Beide Musiker agieren in bewundernswerter künstlerischer Übereinstimmung! Zwei Ausrufezeichen also, denen sich Sepec mit seiner im vorigen Jahr eingespielten Neuaufnahme zu stellen hat. In der Besetzungsfrage des Continuos verfolgt Sepec einen Mittelweg, der seiner Auffassung der Stücke durchaus entspricht: Mehr als Manze und auch mehr als Holloway mit seinem üppigen Continuo nähert sich Sepec den Rosenkranzsonaten vom dramatischen und vom virtuosen Aspekt dieser Musik. Dabei bleiben Holloways meditative Atmosphäre und Manzes innige Akzente allerdings nicht außen vor – auch Sepec gestaltet in die Tiefe und legt somit eine dritte Alternative an der Spitze der mittlerweile breiten Diskographie für diesen Höhepunkt der barocken Kammermusik vor.
Vergleichsaufnahmen: John Holloway, Davitt Moroney, Ensemble Tragicomedia (Virgin Classics 5620622); Andrew Manze, Richard Egarr (HMU 907321-2).
Detmar Huchting [29.10.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Heinrich Ignaz Franz Biber | ||
1 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf freudenhaften Mysterien | 00:32:08 |
6 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf schmerzenreichen Mysterien | 00:37:36 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Die Rosenkranzsonaten – Die fünf glorreichen Mysterien | 00:54:40 |
Interpreten der Einspielung
- Daniel Sepec (Violine)
- Hille Perl (Viola da gamba)
- Lee Santana (Laute)
- Michael Behringer (Cembalo)