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Besprechung CD/SACD

Johann Sebastian Bach The Brandenburg Concertos

Accent ACC 24224

2 CD/SACD • 1h 36min • 2009

19.10.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Für Sigiswald Kuijken ist diese Einspielung der Brandenburgischen Konzerte bereits die dritte nach seiner Teilnahme an Gustav Leonhardts Aufnahme bei SEON und seiner eigenen aus den Jahren 1993/94 bei der deutschen harmonia mundi. Und um gleich medias in res zu gehen: Die Trompete im zweiten Konzert stellt alle heutigen Interpreten vor ernsthafte Probleme, besteht doch über die Beschaffenheit des gemeinhin „Barocktrompete“ genannten Instruments keinesfalls Einhelligkeit. Bereits in seiner Aufnahme von 1993/94 hatte Sigiswald Kuijken sich, aus „Unzufriedenheit mit dem weitverbreiteten ,Kompromiss-Zustand‘, in dem die internationale Barock-Trompeten-Welt schwebte“, für die Verwendung eines Horns als Soloinstrument entschieden.

Mittlerweile hält Kuijken die Experimente mit einer „wahrhaft ,kompromisslosen‘ Barocktrompete“ für ausreichend vorangeschritten, um den Solisten Jean-François Madeuf und seine auf Instrumenten des 18. Jahrhunderts beruhenden Trompete ohne Löcher, Klappen und Ventile zu präsentieren. Ein zweiter wichtiger Punkt, der Kuijkens neue Aufnahme von den meisten seiner Mitbewerber unterscheidet, ist die Verwendung des Schultercellos (Violoncello da spalla) anstatt des zwischen den Knien gehaltenen Barockcellos. Besonders für das sechste Konzert ergibt sich auf die Weise eine interessante Zweichörigkeit zwischen den an oder vor der Schulter gehaltenen Bratschen und dem Violoncello da spalla im Gegensatz zu den vor dem Körper gehaltenen Gamben und dem Violone. Von Kuijkens Kollegen hat sich meines Wissens bisher einzig Masaaki Suzuki in seiner im letzten Jahr erschienenen Neuaufnahme der Brandenburgischen Konzerte ebenfalls für das Violoncello da spalla entschieden. Der zartere Klang dieses erst vor nicht allzu langer Zeit wiederentdeckten Schultercellos dürfte für Masaaki Suzuki einer der Gründe gewesen sein, schon acht Jahre nach seiner von der Kritik zu Recht gepriesenen Einspielung von 2000 jetzt eine interpretatorische Neubewertung der sechs Meisterwerke vorzunehmen. Besonders die beiden reinen Streicherkonzerte, Nr. 3 und Nr. 6, profitieren in beiden Neuaufnahmen von der Entscheidung der Interpreten. Dass beide Interpreten sich bei ihren Neuaufnahmen für eine solistische Besetzung der einzelnen Parts entschieden haben, versteht sich bei ihrer Stellung im gegenwärtigen Diskurs der historisch informierten Aufführungspraxis von selbst, Suzuki hatte sich bereits 2000 dafür entschieden. Überdies ist Suzuki, nachdem er 2000 mit dem tiefen französischen Kammerton von 392 Hz experimentiert hatte, jetzt zur bei Barockmusik heute allgemein üblichen, auch von Kuijken gewählten Tonhöhe von 415 Hz zurückgekehrt.

Bezüglich des anspruchsvollen Trompetenparts im zweiten Konzerts hat Suzuki genau den umgekehrten Entscheidungsweg genommen wie Kuijken: In der frühen Aufnahme hat auch er mit einer besonderen Form der Trompete experimentiert, mit welcher die sonst von Bach nie geforderten hohen Töne realisiert werden können, und ist für die Neuaufnahme zum Kompromiss-Instrument zurückgekehrt. Sowohl bei der ersten Suzuki-Einspielung wie auch hier bei La Petite Bande sind die hohen Trompetenpartien klanglich kaum befriedigend, weder in Hinsicht der Tonreinheit noch in der Klangschönheit.

Die Verve beider Interpreten, die sich in den Tempovorstellungen ausdrückt, erweist sich über die Jahre als erstaunlich konstant; im Vergleich der beiden Versionen unter der Leitung Sigiswald Kuijkens zeigt sich allerdings deutlich der Vorteil der solistischen Besetzung – jetzt herrscht eine ganz natürliche, ungezwungene konzertante Atmosphäre, die wohl nur im Zusammenspiel gleichrangiger Partner so zu erreichen ist.

Ein abschließender Vergleich zwischen Masaaki Suzuki und Sigiswald Kuijken fällt schwer. Für beide Künstler war die Entscheidung, sich diese Höhepunkte der Barockmusik noch einmal vorzunehmen, wohl begründet und schlug sich in beeindruckenden neuen Ergebnissen nieder. Mein Eindruck ist, dass bei Suzuki die Spielfreude überwiegt, während bei Kuijken der gestalterische Aspekt mehr Raum gewinnt, doch das sind Nuancen einer Beurteilung nach persönlichem Geschmack; man möchte beide Interpreten im weiten Feld der Diskographie lieber als Weggenossen denn als Kontrahenten verstehen. Es spricht für die Größe der Brandenburgischen Konzerte selbst ebenso wie für die ebenbürtige Statur der Künstler, wenn man beide Neuversionen zu Pflichtanschaffungen für eine gepflegte CD-Sammlung erklärt.

Vergleichsaufnahmen: La Petite Bande, Sigiswald Kuijken (deutsche harmonia mundi 05472773082; 1993/94, z. Zt. nicht verfügbar) Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki (BIS CD 1151/52 u. BIS SACD 1721/22).

Detmar Huchting [19.10.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048 00:10:42
3Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-Dur BWV 1050 00:20:15
6Brandenburgisches Konzert Nr. 1 F-Dur BWV 1046 00:20:17
CD/SACD 2
1Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur BWV 1049 00:15:38
4Brandenburgisches Konzert Nr. 6 B-Dur BWV 1051 00:17:22
7Brandenburgisches Konzert Nr. 2 F-Dur BWV 1047 00:12:07

Interpreten der Einspielung

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