Robert Schumann Eichendorff-Lieder op. 39 Kerner-Lieder op. 35
Bonus-CD - Balladen
SWRmusic 93.906
1 DVD-Video • 45min • 1987
12.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Dem reifen Dietrich Fischer-Dieskau wurde von Kritikern immer wieder der Vorwurf der Überpointierung gemacht. Sein Singen sei intellektuell, rhetorisch, gar schulmeisterlich. Er opfere die musikalische Linie der sprachlichen Überdeutlichkeit.
Solche und ähnliche Einwände gegen seine Vortragskunst zerfallen in nichts angesichts des hier vorliegenden Video-Mitschnitts eines Liederabends, den der 62jährige Sänger 1987 beim SWF Baden-Baden gegeben hat. Auf dem Programm standen die Zyklen op. 39 und op. 35 von Robert Schumann auf Texte von Joseph von Eichendorff und Justinus Kerner, die ihn fast seit Anbeginn seiner langen Laufbahn begleitet hatten. Sie scheinen hier ein Teil von ihm selbst geworden zu sein. Fischer-Dieskau interpretiert sie nicht, sondern vergegenwärtigt sie. Mit einem Minimum an gestalterischem Aufwand und einem Höchstmaß an innerer Sammlung und Imaginationskraft lässt er die Welt der Romantik vor unseren Augen und Ohren lebendig werden. Text und Musik verschmelzen dabei zu einer Einheit.
Fischer-Dieskau zieht seine künstlerische Kraft aus der Stille, aus dem piano. Die viel strapazierte Mondnacht erlebt man bei ihm gleichsam wie zum erstenmal. Wie er die Phrasen „und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus” und „als flöge sie nach Haus” mit einem geradezu magischen crescendo und diminuendo ausführt, ist beispielhaft und prägt sich dauerhaft dem Gedächtnis ein. Auch zu den etwas sperrigeren Kerner-Liedern findet er einen ganz persönlichen Zugang. In Hartmut Höll hat der Sänger zweifellos einen idealen Begleiter gefunden, der wie er die hohe Kunst der Reduktion beherrscht und tief in den Geist der Musik eindringt.
Die Kameraführung ist kunstlos, fast ein bisschen primitiv. Aber sie erfaßt das Wesentliche. Wie nämlich Fischer-Dieskau in der manchmal nahtlosen Abfolge der Lieder die Stimmungswechsel in sich vorbereitet, bevor er zu singen anhebt, ist seinen Augen, seinem Mienenspiel, seiner Körperhaltung anzusehen, obwohl er kaum äußerliche Bewegung zeigt.
Für den beredten Sänger, der wenige Jahre später von der Bühne abtrat, war der Wechsel zum „singenden” Sprecher organisch, beinahe zwangsläufig. Eine Bonus-CD, 1997 am gleichen Ort mit dem gleichen Klavierpartner aufgenommen, präsentiert uns Fischer-Dieskau als Rezitator in Melodramen von Schumann, Liszt und Ullmann. Er behandelt dabei die Sprechstimme nicht anders als die Singstimme, d.h. er arbeitet mit einer weiten Tonskala und baut großbogige Phrasen auf, riskiert auch das in den Texten von Hebbel, Bürger, Lenau und Rilke vorgegebene Pathos. Das entspricht einerseits den musikalischen Anforderungen und setzt andererseits ein Paradigma in einer Zeit, in der kaum ein Schauspieler noch Gespür für Melodie und Rhythmus der deutschen Sprache besitzt oder erworben hat.
Ekkehard Pluta [12.10.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | Liederkreis op. 39 (nach Gedichten von Joseph von Eichendorff) | |
2 | Kerner-Lieder op. 35 | |
3 | Du bist wie eine Blume op. 25 Nr. 24 | |
4 | Mein Wagen rollet langsam op. 142 Nr. 4 | |
CD/SACD 2 | ||
1 | Ballade vom Haideknaben op. 122 Nr. 1 | 00:05:39 |
Franz Liszt | ||
2 | Leonore R 654 | 00:11:41 |
3 | Der traurige Mönch R 656 | 00:07:24 |
Viktor Ullmann | ||
4 | Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke | 00:44:57 |
Interpreten der Einspielung
- Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton)
- Hartmut Höll (Klavier)