Robert Schumann
Sinfonien Nr. 2 & 3
SWRmusic 93.259
1 CD • 71min • 2010, 2002
28.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Diskussion über die Instrumentation der Sinfonien Robert Schumanns wird vermutlich nie enden. Spätromantische Dirigenten wie Felix von Weingartner und Gustav Mahler, aber selbst noch George Szell, dessen Einspielungen mit dem Cleveland Orchestra bis heute Referenzcharakter besitzen, brachten Retuschen an, um das Verhältnis der Instrumentengruppen ausgeglichener zu gestalten - aus Liebe zu Schumann, wie sie ausdrücklich betonten, keineswegs aus Herablassung. Auch Michael Gielen hat in seinen bisherigen Dirigaten, vor Jahrzehnten auch schon in einer Fernsehsendung und nun wieder in der vorliegenden Einspielung geringfügige Änderungen vorgenommen, um das „Eigentliche" Schumanns besser hervortreten zu lassen. Andere wie John Eliot Gardiner oder Roger Norrington schwören auf den Originalklang und die kleine Besetzung des Orchesters entsprechend dem Usus im Leipziger Gewandhaus zu Schumanns Lebzeiten: die Rückkehr zu einem Orchester von nicht mehr als 50 Musikern, so Gardiner, garantiere die Balance und lasse alle angeblichen Probleme sich in Nichts auflösen.
Nun hat uns die bisherige Geschichte der historischen Aufführungspraxis allerdings eines schon gelehrt: Historismus allein macht noch keine gute Interpretation. Und ergänzend kann man umgekehrt sagen: Retusche allein noch keine schlechte. Gewiß schlägt Michael Gielen, verglichen etwa mit Gardiner, ein oft eher maßvolles Tempo an, das SWR-Orchester klingt durchweg etwas füllig, manchmal sogar ein wenig dumpf, und die unterschiedlichen Aufnahmeorte und -zeiten sind auch merkbar: bei der Rheinischen scheint der Grundpegel geringfügig höher, die Aufnahme präsenter zu sein als bei der C-Dur-Sinfonie. Auf der anderen Seite hat die Detailtreue Gielens wieder einmal ihre Meriten, etwa im Un poco più vivace der Einleitung zur C-Dur-Sinfonie, wo die fanfarenartigen Einwürfe der Streicher so deutlich kommen wie in kaum einer anderen Aufnahme, oder in der differenzierten Behandlung der Hörnerpartien in der „Rheinischen", vor allem im Kopfsatz.
Was in Gielens Interpretation aber mit beeindruckender Deutlichkeit zum Tragen kommt, ist der historische Standort der Schumannschen Sinfonik zwischen Beethoven einerseits und den wiederum von Schumann beeinflussten Nachfolgern: Brahms, Tschaikowsky und Mahler. Das schon bei Beethoven vorhandene, durchaus romantische Pathos und die romantische Empfindungswelt erreichen bei Schumann ihre vorzüglichste Ausprägung, die wiederum die Klangwelt Brahms' und Mahlers schon ahnen läßt. Diese geschichtliche Perspektive ist bei Gielen deutlich zu hören, mehr jedenfalls als in anderen, vielleicht historisch „getreueren" Aufnahmen. Und darin drückt sich ein musikgeschichtliches Verständnis aus, das vielen perfektionistischen Einspielungen jüngerer Dirigenten immer mehr verloren zu gehen scheint.
Dr. Hartmut Lück † [28.09.2010]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 | 00:38:45 |
5 | Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 (Rheinische) | 00:32:10 |
Interpreten der Einspielung
- SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (Orchester)
- Michael Gielen (Dirigent)