Classicclips CLCL 113
1 CD • 61min • 2009
29.06.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Themen-Recitals scheinen mehr und mehr die konventionellen, nach Komponisten geordneten Lied-Programme abzulösen. Nach Christoph Prégardiens bedeutsamem Zyklus „Zwischen Leben und Tod” und Christiane Kargs stark beachtetem Programm „Verwandlung – Lieder eines Jahres”, legt nun Caroline Melzer unter dem griffigen Titel „Frauenliebe und – leben” eine inhaltlich wie musikalisch interessante Lied-Kombination vor. Dabei war der bekannte Zyklus von Schumann keineswegs der Ausgangspunkt der Programmgestaltung, sondern eine zeitgenössische Auftragskomposition, Sieben Lieder vom Tod op. 52 von Stefan Heucke, im November 2008 in Antwerpen von der Sopranistin und ihrer Klavierbegleiterin Anette Fischer-Lichdi zur Uraufführung gebracht.
Heucke, auch durch Bühnenwerke wie Das Frauenorchester von Auschwitz bekannt geworden, schreibt im Booklet, dass sich die Kombination zu Prokofjews Romanzen auf Texte von Anna Achmatova und zu Schumanns Zyklus nach Gedichten von Adalbert von Chamisso „beinahe zwangsläufig” ergeben habe. Natürlich changiert das gezeichnete Frauenbild in den drei Liedgruppen ganz erheblich, was auch, aber nicht nur mit den Entstehungszeiten und gesellschaftlichen Rahmen-Bedingungen zusammenhängt. Chamissos Darstellung der Frau als Liebende, Ehefrau, Mutter und Witwe berührt uns heute eher peinlich und sie wäre ohne die Musik Schumanns längst vergessen. Caroline Melzer stellt sich der Herausforderung, gegen eine stolze „Ahnenreihe” von Lotte Lehmann, Elisabeth Schumann, Elisabeth Grümmer, Sena Jurinac bis hin zu Michaela Kaune anzusingen, sehr tapfer und absolut eigenständig. Bei ihr gibt es keine Gefühligkeit, ihrem klaren Sopran entspricht die geradlinige Interpretation, die Emotionen bleiben verhalten, aber sie werden nicht unterdrückt. Keineswegs romantisch geht Sergej Prokofjew ein verwandtes Thema an. In Achmatovas Lyrik wird die Lebensgeschichte der Frau aber nicht direkt erzählt, sondern in poetischer Verkleidung angedeutet. Entsprechend sparsam, nur skizzenhaft, dabei aber atmosphärisch dicht fällt der begleitende Klaviersatz aus.
Heuckes Zyklus ist schon wegen der zugrunde liegenden Texte sehr bemerkenswert. Sie stammen von der österreichischen Dichterin Hertha Kräftner, die sich 1951, erst 23jährig, das Leben genommen hat. Aus ihren etwa 50 Gedichten hat Heucke sieben zu einem Themenkomplex zusammengefügt, in dessen Zentrum die Auseinandersetzung einer jungen Frau mit dem Tod steht. Kräftners Lyrik ist sprachlich unabgenutzt, hat Schärfe und untergründig sarkastischen Witz. Heuckes Vertonungen bleiben nicht illustrativ, sondern vertiefen den poetischen Gehalt.
Caroline Melzer, erfahren mit zeitgenössischer Musik (erst unlängst hatte sie in Berlin in der Neuenfels’-Inszenierung von Reimanns Lear als Cordelia großen Erfolg), findet auch hier einen sachlich-klaren Ton, der Text und Musik zur Kenntlichkeit bringt und die Phantasie des Hörers anregt statt sie einzulullen. Anette Fischer-Lichdi ist ihr eine sensible Begleiterin, die sich in allen drei Kompositionsstilen mühelos zurechtfindet.
Ekkehard Pluta [29.06.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | Frauenliebe und -leben op. 42 | 00:22:03 |
Sergej Prokofjew | ||
9 | Fünf Gedichte nach Anna Achmatowa op. 27 | 00:10:33 |
Stephen Heucke | ||
14 | Sieben Lieder vom Tod op. 52 (nach Gedichten von Hertha Kräftner) | 00:27:56 |
Interpreten der Einspielung
- Caroline Melzer (Sopran)
- Anette Fischer-Lichdi (Klavier)