cpo 777 523-2
2 CD • 2h 03min • 2009
03.05.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Kotzenswürdigeres hat es nie in einem Theaterraum gegeben“, notierte der strenge Karl Kraus, nachdem er in einer Aufführung des Zarewitsch die sechste Wiederholung der Arie Willst du, gesungen von Richard Tauber, über sich ergehen lassen musste. Mehr noch als die Musik dürfte ihn dabei die Show gestört haben, die der Sänger mit seinem selbstvergessenen Publikum (oder dieses mit ihm) veranstaltete.
Franz Lehár hatte in Tauber seinen idealen Interpreten gefunden, was ihn beflügelte, in seinem Spätwerk die Grenzen der Operetten-Gattung zu überschreiten und seiner alten Leidenschaft für die Oper zu frönen. Den Tenorhelden in Paganini, Zarewitsch, Land des Lächelns und Giuditta ist das Liebesglück nicht hold, sie baden sich in ihrem Seelenschmerz und üben sich in tragischer Entsagung. Im Zarewitsch (1927), wo sich der Weiberfeind Aljoscha in die Tscherkessentänzerin Sonja verliebt, die er dann zugunsten der ihm zugedachten Prinzessin Miliza aufgeben muss, wird dieses verlogene Pathos besonders dick aufgetragen. Um Schlager wie das Balalaika-begleitete Wolgalied verdauen zu können, benötigt man schon einige Gläschen Wodka.
Nach dem Land des Lächelns begibt sich Ulf Schirmer mit diesem Stück ein weiteres Mal in den schwierigen Grenzbereich zwischen Kunst und Kitsch. Wieder versucht er sich durch sorgfältige Orchesterarbeit aus der Affaire zu ziehen, triefende Sentimentalität ebenso zu vermeiden wie falsches Opernpathos. Zu wenig vertraut er dabei auf die Kraft des Rhythmus, die den Schmalz der Melodien durcheinander- und gar wegwirbeln könnte. Schirmer dirigiert mit Geschmack, aber ohne Schmackes.
Ähnliches gilt auch für die Sänger. Matthias Klink (Aljoscha) und Alexandra Reinprecht (Sonja) klingen wie Tamino und Pamina im russischen Exil. Dabei hört man vor allem dem Tenor gerne zu. Eine annähernde Tauber-Aura vermittelt er allerdings nicht. Das Buffo-Paar (Andreas Winkler, Christina Landshamer) agiert unaufdringlich und im Gesanglichen gefällig. Die gesprochenen Dialoge (Regie: Ralf Eger) wirken streckenweise etwas unbeholfen, sind aber nicht peinlich. Und das ist schon viel.
[03.05.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Lehár | ||
1 | Der Zarewitsch |
Interpreten der Einspielung
- Alexandra Reinprecht (Sonja - Sopran)
- Christina Landshamer (Mascha - Sopran)
- Matthias Klink (Zarewitsch - Tenor)
- Andreas Winkler (Iwan - Tenor)
- Chor des Bayerischen Rundfunks (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Ulf Schirmer (Dirigent)