Beethoven
Complete Violin Sonatas Vol. 2
Accent ACC 24212
1 CD • 61min • 2009
30.12.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine bequeme oder „nur“ beherzte und beredte Beethoven-Lesart ist nicht die Sache von Linda Nicholson (Klavier) und Hiro Kurosaki (Violine). Das haben die in der historisch informierten Musizierpraxis bestens bewanderten Künstler auf Folge 1 der Einspielung sämtlicher Beethoven-Violinsonaten mit ihrer äußerst drängenden Interpretation der Sonaten A-Dur op. 47 „Kreutzer“ und G-Dur op. 96 eindrücklich unter Beweis gestellt. Fehlten mir dort bisweilen Tiefgang, Gefühlswärme und eine unverwechselbare persönliche Note, so muss ich mein Urteil nun gründlich revidieren. Energiegeladener, impulsiver, tiefenschärfer (so ironisch gebrochen habe ich das Andante scherzoso der Sonate a-Moll op. 23 noch nie gehört) und leidenschaftlicher könnte ich mir eine Deutung des so gegensätzlichen Paares, eben der Sonate op. 23 und dem F-Dur-Geschwister, der so genannten Frühlings-Sonate op. 24 kaum wünschen. Beinahe ungebremste Energie durchzieht selbst die weiten und gestenreichen kantablen Bögen der Sonate F-Dur; von Friedvollem oder gar einem milden Frühlingshauch keine Spur. Und was die Gefühlswärme angeht: Man höre nur den expressiven Zwiegesang des Adagio molto espressivo aus op. 24, in dem sich Nicholson und Kurosaki zu einem sehr empfindsamen, auch schwelgerischen Tonfall aufschwingen und dabei auf Rührseligkeit komplett verzichten.
Obgleich Nicholson und Kurosaki auf historischen Wiener Instrumenten der Beethoven-Zeit musizieren, erinnert mich ihre Interpretationshaltung doch stark an die atemberaubende, etwa 20 Jahre alte Aufnahme der Beethoven-Sonaten mit Martha Argerich und Gidon Kremer – vor allem das beiderseitige Einvernehmen bezüglich einer unbedingten Expressivität, die dem Hörer keine Ruhe gönnt. Um es ein wenig zu vereinfachen: Die technische Meisterschaft, Artikulation und Phrasierung, die Klarheit der Zeichnung, Wahl der Tempi sowie die Extreme und unerwartete Akzente nicht scheuende dynamische Gestaltung sind einfach bezwingend und stehen für mich außerhalb jeglicher Kritik. Ebenso die Klanglichkeit des verwendeten Instrumentariums, die das Voluminöse moderner Instrumente zu keiner Zeit vermissen lässt und die Grundlage für einen nicht nur sprechenden, sondern sprachmächtigen Vortrag ist, in dem jede einzelne Phrase einen wachen und höchst geschliffenen Dialog beider Künstler offenbart. Von dem rastlosen Beginn der Sonate op. 23 nimmt alles seinen unaufhaltsamen Lauf bis zu dem gestochen scharf modellierten Rondofinale der Frühlings-Sonate. Das meiner Meinung nach Besondere daran: Nichts an der Herangehensweise von Linda Nicholson und Hiro Kurosaki wirkt ausgetüftelt; die Interpreten scheinen sich von der Musik einfach davontragen zu lassen zu vollendeter Augenblickskunst wie zu einem weiten, großartig atmenden Spannungsbogen über beide Sonaten hinweg. Wie hellhörig sie die Register und Klangfarben ihrer Instrumente ausloten und einzusetzen wissen, zeigen nicht weniger die Wiedergaben der 12 Variationen WoO 40 über „Se vuol ballare“ aus Mozarts Figaro und die Sechs Deutschen Tänze WoO 42. Auch hier gilt: Ein entspanntes Zurücklehnen ist nicht möglich. Die Künstler können sich jederzeit der ungeteilten Aufmerksamkeit des Hörers sicher sein. Und das macht für mich neben allen bereits erwähnten Merkmalen eine wirklich große Interpretation aus.
Christof Jetzschke [30.12.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sonate Nr. 4 a-Moll op. 23 für Violine und Klavier | 00:21:24 |
4 | Sonate Nr. 5 F-Dur op. 24 für Violine und Klavier (Frühlingssonate) | 00:22:53 |
8 | Variationen über Se vuol ballare aus »Le nozze di Figaro« von W.A. Mozart WoO 40 | 00:11:13 |
9 | Six German Dances WoO 42 | 00:05:06 |
Interpreten der Einspielung
- Hiro Kurosaki (Violine)
- Linda Nicholson (Klavier)