Foliations
BIS 1438
1 CD • 82min • 2003, 2004
21.12.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es geht munter los mit einer Art dreisätziger Ouvertüre aus dem Jahr 1961 des Filmkomponisten Sir Malcolm Arnold (Die Brücke am Kwai), diesmal ganz dem klassischen Formenkanon verpflichtet: Sonate, Chaconne, Rondo. Der Vortrag ist erfüllt von brillanten Trompeten-Figurationen, leidenschaftlicher Posaunengestik, Jazz-Elementen mit Synkopen, Allegro-Drive und südländischen Rhythmen. Das setzt sich mit einem Höchstmaß packender Blechbläser-Eleganz, Vitalität, kantablen Episoden, pikanten Harmonisierungen und farbenreichen Dynamisierungen durch das volle Programm hindurch fort, sieht man von dem zuletzt (2000) entstandenen Werk ab, einer üppigen Anhäufung extrem abstrakter Modernismen des schwedischen Komponisten Christian Lindberg. Für die autorisierte Einspielung seines Opus hat er zugleich die Partie des Solo-Posaunisten als Gast des hier zu hörenden Ensembles Stockholm Chamber Brass übernommen: Condor Canyon (Track 19, Spieldauer elfeinhalb Minuten). „Das Stück ist einsätzig und hat eine fünfteilige Form, ... wo ich die Themen nach ihrem eigenen Willen einfach aufsteigen lasse, so hoch und so frei wie möglich“ (Lindberg). So hoch also über den Wolken fliegt der Geier Condor über dem Canyon – exotische Herausforderung für die Spieler und Extremsport im Zuhören für das Publikum. „Gleichwohl war es nie meine Absicht gewesen, Programmusik zu komponieren“ (Lindberg).
Ganz anders entwickeln sich die Charaktere aller weiteren Programmbeiträge. Fast wünscht man sich neben der CD-Einspielung mehr Live-Begegnungen in den Konzertsälen, wo derartige Blechbläser-Ensembles immer noch eine allzu untergeordnete Rolle spielen. Hier jedoch fasziniert die pure Lust an der Spiellaune, vor allem an einer phantastischen Virtuosität durch das gesamte Instrumentarium hindurch bis hin zu einer kaum für möglich zu haltenden Filigranarbeit der schlank und rank geblasenen Tuba-Kapriolen. Das langfristige Zusammenwirken aller fünf Spitzenbegabungen, mit einer Dame an der zweiten Solo-Trompete, erweist sich als wahrer Glücksfall unter allen vergleichbaren Gruppen. Allein die 19 Variationen über das berühmte und vielen Ohren vertraute Barockthema La Folia in der Version des 1937 geborenen Copland-Schülers Jan Bach sind ein Geniewurf an Spielideen und Wirkung. Eine spannendere Einführung in das Abenteuer strukturellen Musikhörens anhand dieses faszinierenden Spektrums an Klang- und Ausdrucksformen des 20. Jahrhunderts, hier in einer formidablen Aufführungsqualität, ist so schnell nicht denkbar.
Dr. Gerhard Pätzig [21.12.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Malcolm Arnold | ||
1 | Brass Quintett op. 73 | 00:12:28 |
Jan Bach | ||
4 | Foliations (Variations on La Folia) | 00:07:57 |
Eugène Bozza | ||
11 | Sonatine für 2 Trompeten, Horn, Posaune und Tuba | 00:10:18 |
Jan Bach | ||
15 | Foliations | 00:03:54 |
Christian Lindberg | ||
19 | Condor Canyon | 00:11:20 |
Jan Bach | ||
20 | Foliations | 00:06:29 |
Jukka Tapio Linkola | ||
25 | Brass Quintet Nr. 2 | 00:19:55 |
Jan Bach | ||
28 | Foliations | 00:08:08 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Lindberg (Posaune)
- Stockholm Chamber Brass (Ensemble)