LSO LSO0628
2 CD/SACD • 1h 43min • 2007
16.09.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Seit der ersten öffentlichen Aufführung von Haydns Schöpfung in Wien am 19. März 1799 ist dieses Werk zu einem Erfolgsgaranten für Dirigenten, Gesangssolisten, Chöre, Orchester und Publikum geworden. Unüberschaubar ist die Anzahl der Aufführungen und Einspielungen. Noch in den aktuellen CD-Katalogen sind es über zwei Dutzend, deren Rangfolge schwer zu bestimmen ist. Daß sich nun auch die hauseigene Marke „LSO Live“ des Londoner Sinfonieorchesters, diesem Edelstein der Musikgeschichte widmen und an ihm messen lassen würde, war nur eine Frage möglichst günstiger Umstände: Hier also ein Londoner Konzert in der Barbican Hall mit Sir Colin Davis als prominentem Dirigenten und das Haydn-Jahr 2009. Ob allerdings auf den beiden vorliegenden Silberscheiben wirklich ein LSO-Live-Mitschnitt zu hören ist, mag man angesichts eines absolut „entfernten“ Publikums füglich oder unfüglich bezweifeln. Denn auch gewisse Merkmale einer hörbaren Mischpultregie suggerieren eher eine großräumig gestaffelte, multimikrophonale Studioatmosphäre. Aber selbst deren aufnahmetechnische Vorzüge werden von einer tendenziellen, rein künstlerisch-musikalischen Schwäche der Aufzeichnung und Wiedergabe unterlaufen. Dazu gehört vor allem der saloppe Umgang mit dem originalen, deutschsprachigen Oratorientext. Mag auch das Klangstreben, selbst auf Kosten manch anderer, nicht immer guter Nebenwirkungen, ausschlaggebend gewesen sein – als musikdramatische Verkündigung ist Textverständlichkeit unverzichtbar. Solosopran und Chor bewegen sich hier aber überwiegend in nebulosen Vokalisen, was von den britischen Ohrenzeugen mit Hilfe der übersetzten Textbeilage – auch im Konzert – kaum wahrzunehmen gewesen sein dürfte.
Nun aber, auf der vom Verstärker und der Lautsprecherkombination abhängigen CD, führt eine äußerst extensive Dynamik des gesamten Klangapparates dazu, entweder die pianissimo-Partien des Chores mit entsprechend kultivierten Orchesterschleiern einfach zuzudecken oder im vollen forte-Klang den Inhalt und Sinn der Worte lautstark zu übertönen. Ein schrilles Übergewicht von 52 Frauenstimmen gegenüber den 36 männlichen Choristen sorgt zwangsläufig im Tutti gemeinsam mit den Solisten und dem großen Orchesterapparat, für eine wortverschlingende Wirkung des Klangrausches. Unbeschadet einer überzogenen Vibratokultur mit wortverschleifender Legatotechnik der Sopransolistin und der oft zur Affektiertheit neigenden Bühnenartikulation des Solotenors fühlt sich das renommierte Londoner Orchesters und seiner Pultsolisten dem Opus des Komponisten verpflichtet. Vor allem die auf Dynamik, Dramatik und Klangmalerei setzende Stabführung des ehemaligen LSO-Chefdirigenten Sir Colin Davis (bis 2006), gegenwärtig weiterhin als Orchesterpräsident im Amt, verdient als gesamtkünstlerische Leistung und Wirkung hervorgehoben zu werden. Offen bleibt dennoch das im Beiheft verkündete Versprechen einer „sensationellen Klangqualität und maßgeblicher Interpretationen, gepaart mit Energie und Gefühlstiefe, die man nur live im Konzertsaal erleben kann“. Was aber bleibt dann für die CD-Player im privaten Ambiente? Auch die Funktionsweise einer im gleichen Text gepriesenen „neuesten High-Density Aufnahmetechnik“ bedarf im Wandel ständiger Innovationen durchaus einer Erläuterung.
Dr. Gerhard Pätzig [16.09.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Die Schöpfung Hob. XXI:2 |
Interpreten der Einspielung
- Sally Matthews (Sopran)
- Ian Bostridge (Tenor)
- Dietrich Henschel (Bariton)
- London Symphony Chorus (Chor)
- London Symphony Orchestra (Orchester)
- Sir Colin Davis (Dirigent)