Gottlieb Muffat Componimenti Musicali per il Cembalo (1736)
Glossa GCD 921804
2 CD • 2h 30min • 2006
21.05.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gottlieb Muffat (1690-1770) bekam von Haus aus einen weiten musikalischen Horizont mit auf den Weg, auch wenn er erst 14 Jahre alt war, als sein Vater starb: Georg Muffat (1653-1704) war aus Savoyen gebürtig und mit zehn Jahren zu Lully nach Paris in die Lehre gekommen. Im Laufe seiner weiteren Ausbildung war er in Italien gewesen, wo er bei Arcangelo Corelli die Kunst des neuartigen Concerto Grosso studiert hatte. 1690, im Geburtsjahr des Sohnes Gottlieb, war Georg Muffat in die Dienste des Passauer Fürstbischofs getreten. Wie nur wenige Zeitgenossen gleichfalls mit dem italienischen wie auch dem französischen Stil vertraut, hat Georg Muffat in beiden Richtungen Meisterwerke hinterlassen und ist überdies für die Musikwissenschaft durch seine aufführungspraktischen Anweisungen zu einer wichtigen Forschungsquelle geworden.
Vier der neun Söhne Georg Muffats wurden Musiker, zu Berühmtheit hat es indessen nur Gottlieb gebracht, der nach dem Tod des Vaters nach Wien kam und dort von Johann Joseph Fux ausgebildet wurde. Fux, der süddeutsche Kontrapunktpapst seiner Zeit, hielt bis zu seinem Tod 1741 seine Hand über diesen von ihm offensichtlich hoch geschätzten Schüler, der schon 1716 zum kaiserlichen Hof- und Kammerorganisten Karls VI. ernannt wurde. Muffat unterrichtete auch die Erzherzogin Maria Theresia in Musik, und sie ernannte ihn bei ihrer Thronbesteigung 1740 zum Ersten Hoforganisten. Seit 1764 pensioniert, ist Muffat 1770 achtzigjährig gestorben; er stand am Wiener Hof bis in seine letzten Tage hoch in Ehren. Sein auf den heutigen Tag überliefertes Werk besteht fast ausschließlich aus Musik für Cembalo und Orgel, wenn auch ein Salve Regina für Sopran, Alt und Streicher, eine Sonata Pastorale sowie drei kürzlich wieder aufgefundene Cembalokonzerte einen breiteren Schaffenshorizont andeuten.
Mitzi Meyerson hegt nach eigenem Bekunden eine besondere Vorliebe für Komponisten, die von der Nachwelt zu Unrecht übergangen worden sind; so hatte sie schon vor dieser Aufnahme ihr Augenmerk auf Meister wie Fischer, Böhm, Balbastre, Duphly und Forqueray gerichtet. Mit Gottlieb Muffats Componienti Musicali widmet sich die Künstlerin einem Sammelwerk von wahrhaft europäischem Format. Neben der immer wieder durchscheinenden Kunst der französischen Clavecinisten wird auch ein Rekurs auf die deutsche zeitgenössische Cembalomusik vernehmbar: Bekanntschaft mit Bachs Partiten deutet sich an, und ein Einfluss von Händels 1720 veröffentlichten Cembalosuiten wird noch durch die Tatsache untermauert, dass Muffat seine eigenhändige Abschrift der Werke mit eigenen Verzierungen versah. Muffats Musik traf übrigens bei Händel ebenfalls auf Sympathie – eine Liste im Beiheft zeigt die vielfältigen Entlehnungen, die der Londoner Meister allein aus den Componimenti Musicali beim Wiener Kollegen machte. Solche Zitate geschätzter Kollegen finden sich vielfach in Händels Werk und sind nie als Plagiat, sondern immer als Respektbezeugung zu sehen.
Mitzi Meyerson entfacht ein Feuer der Virtuosität, das allerdings nicht ihre eigene Person ins rechte Licht rücken soll, sondern immer ihr Anliegen wärmt, eine beredte Anwältin der außerordentlichen Musik Gottlieb Muffats zu sein. Von kammermusikalischer Feinheit bis zu orchestraler Pracht reicht ihre Skala des musikalischen Ausdrucks, und die prachtvolle Kopie eines doppelmanualigen Taskin-Cembalos von ca. 1769 liefert eine reiche Palette an Klangmöglichkeiten. Als winzige Frage bleibt noch offen, ob nicht die zusätzliche Verwendung eines zweiten Instruments aus einer anderen Cembalobautradition als der französischen den europäischen Horizont Gottlieb Muffats noch deutlicher zum Klingen gebracht hätte.
Dennoch: Alles in allem ist diese Doppel-CD ein Juwel für die Sammlungen aller Freunde spätbarocker Cembalomusik!
Detmar Huchting [21.05.2009]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gottlieb Muffat | ||
1 | Suite V d-Moll | 00:22:24 |
9 | Suite III D-Dur | 00:25:01 |
17 | Suite VI G-Dur | 00:24:42 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Suite I C-Dur | 00:18:25 |
9 | Suite II g-Moll | 00:22:56 |
17 | Suite IV B-Dur | 00:27:46 |
26 | Suite VII G-Dur | 00:08:26 |
Interpreten der Einspielung
- Mitzi Meyerson (Cembalo)