Acousence Classics ACO-CD 20808
1 CD • 53min • 2007
17.06.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren eine so anregend-problematische Aufnahme zugeschickt bekommen zu haben, wie diese mit Live-Produktionen aus dem Duisburg des Jahres 2007. Zunächst das Klavierkonzert von André Jolivet! Dem dreisätzigen, in den Ecksätzen bissigen, klanglich-pianistisch unkomfortabel erdachten Werk ist es bis zum heutigen Tag verwehrt geblieben, im Repertoire Punkte einzuheimsen. Der 1968 im französischen Chambéry geborene, in den Klassen von Pierre Sancan, Yvonne Loriod und Pierre Reach ausgebildete, in unseren Breiten und Längen nicht gerade bekannte Pianist Pascal Gallet rackert mit respektablem Einsatz über den ungemütlichen Klavierparcour, der mich in seiner geläufigen Hartherzigkeit gelegentlich an eine französische Variante des Deutschen Hindemith erinnert. Im langsamen Satz (Andante con moto) berühren sanfte, lyrische Momente, in deren Verlauf auch das Duisburger Orchester mit seinem Chefdirigenten Jonathan Darlington etliches Vermögen bekundet, Atmosphäre zu erzeugen. Insgesamt betrachtet und gehört, wird dieses Klavierkonzert auch in Zukunft nicht Furore machen – zu viele Sektionen der Rahmensätze bieten nicht mehr als mühsames Geplänkel und Gehaue, staubtrockenes Voranbringen klein dimensionierter Ideen im Sinne schweißtreibender Tastenschufterei.
Von Interesse für alle Liebhaber des Klavierspiels, vor allem transkribierter Weltliteratur, sollten die beiden Bearbeitungen vertrauter, geliebter Werke von Debussy und Ravel sein. Indes: einmal mehr bestätigt es sich – zumindest meiner Meinung nach –, dass die Übertragungen von Klavier-Originalen in Richtung Orchester um einiges riskanter sind als die Arrangements in umgekehrter Richtung. Versuche mit Orchestrierungen etwa der Liszt-Sonate (Weingartner, Leo Weiner), Der „Bilder“ von Mussorgsky (Ravel, Ashkenazy u.a.) oder auch der Hammerklaviersonate von Beethoven (Weingartner) sind in letzter Konsequenz des hörenden Erlebens gescheitert, wobei ich die Weiner-Bearbeitung der Liszt-Sonate als das imponierendste Beispiel all dieser Projekte feiern möchte.
Der Grund meiner Vorsicht, die hier vorliegenden Instrumentierungen allenfalls der privaten und professionellen Kundschaft ans Herz zu legen, ist die „Verschwammung“ des originalen Klavierklanges. Marius Constants Einrichtung von Ravels Gaspard de la nuit bleibt im metrisch so aufregenden Beginn ein Erlebnis des Ungefähren, im Folgenden erlebt man die Explosionen der Piano-Vorlage als pausbäckige Aufplusterungen – und der kargen, beängstigenden „Galgen“-Skizze mangelt es an Linearität, an Monotonie, wenn das Orchester klanglich gut genährt die makabre Szene in gütigem Licht erschallen lässt. Nicht anders die Szenerie auf der „Glücklichen Insel“, deren rhythmisch-lebenslustige Finessen wie hinter einem Schleier mühsam aufgebaut wirken, mit manch – das gebe ich gerne zu – hübschen farblichen Tupfern, aber insgesamt bleibt es eine Kleckserei mit dem Resultat, man habe es mit der Farbpalette zu tun und nicht mit dem bildlichen Endresultat. Aber – ich wiederhole es – für den Sammler, für den Musikenthusiasten mit historischen Vorlieben im Umkreis von Musiktransvestie ist diese Edition durchaus empfehlenswert, zumal die in der CD-Branche nicht gerade arrivierten Duisburger keine ungünstige Figur machen.
Peter Cossé † [17.06.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
André Jolivet | ||
1 | Konzert für Klavier und Orchester | 00:23:23 |
4 | Gaspard de la nuit (Trois Poèmes pour Piano d'après Aloysius Bertrand) | 00:22:08 |
7 | L' Isle joyeuse | 00:07:09 |
Interpreten der Einspielung
- Duisburger Philharmoniker (Orchester)
- Pascal Gallet (Klavier)
- Jonathan Darlington (Dirigent)