Challenge Classics CC72292
1 CD/SACD • 62min • 2007
21.04.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Aufnahme hat gleich nach ihrem Erscheinen enthusiastisches Echo hervorgerufen (so in der FAZ). Das Lob ist berechtigt, denn jede Liedaufnahme mit Christoph Prégardien bedeutet Gewinn, Bereicherung. Zum zweiten Mal legt der Künstler eine Aufnahme von Schuberts Liederkreis Die schöne Müllerin vor. Nach der Version mit historischer Hammerklavier-Begleitung (Andreas Staier), entstanden vor etwa zehn Jahren, erscheint nun eine weitere, auf welcher der feinfühlige Pianist Michael Gees mit einem „normalen" Konzertflügel zu hören ist.
Die beiden Aufnahmen sind schwer miteinander zu vergleichen, da die Wege, die in der Wiedergabe eingeschlagen werden, allzu verschieden sind. Gleich geblieben ist bei Prégardien die Intensität des Vortrags, die Kunst der Wort- und Ton-Gestaltung, die dezente Innerlichkeit. Die Stimme klingt nach langen Jahren emsigster Beschäftigung noch immer rein und ausgeruht. Am schönsten kommen die Vorzüge in der tiefen und mittleren Lage zur Geltung, dort erreicht der gesangliche Erzählton oft eine herzergreifende Intimität. Problematisch war immer schon die Höhe mit ihrem leeren, oft auch angestrengten Beiklang. Bezeichnend, daß der Sänger Schuberts „klassisches" Tenorlied Ungeduld um einen Ganzton herabgesetzt vorträgt.
Was an dieser Wiedergabe einigermaßen befremdet, sind die vielen Zutaten, die sich der Sänger und teilweise auch der Klavierbegleiter gestatten (markantes Beispiel: Des Müllers Blumen). Es ist nicht ganz begreiflich, was damit bezweckt wurde. Sollte Schubert ein Rokoko-Zöpfchen angehängt oder überhaupt ins 18. Jahrhundert zurückversetzt werden? Gegen behutsam angebrachte Auszierungen wird niemand ernstliche Einwände vorbringen, wenn es sich um Strophenlieder oder um die Wiederholung eines Themas handelt wie etwa bei Der Neugierige. Aber was Prégardien in dieser Aufnahme bietet, überschreitet jegliches Maß. Fast in jedem Lied – ausgenommen eigentlich nur Mein und Der Jäger – gibt es da und dort einen Schnörkel, eine Arabeske oder sonst eine Abweichung. Mag sein, daß damit die Belebung einer Praxis aus alter Zeit versucht wurde – einer Praxis, die freilich längst schon überwunden und uns fremd geworden ist. Schuberts Müller-Lieder berühren vor allem durch ihre Schlichtheit und Natürlichkeit, wozu also diese vielen gesungenen Tanzschritte? Unausdenkbar, wenn dieses Beispiel Schule macht – Aufnahmen von Christoph Prégardien werden ja immer als Vorbild gewertet – und sich bei den Lied-Interpreten die Sitte des Mitkomponierens einschleicht! Daß bei Prégardien auch einige Ungenauigkeiten im Text vorkommen, sei nur am Rande erwähnt. Aber: und der Meister sagt (statt spricht) zu allen stört deshalb, weil gleich danach die Stelle Und das liebe Mädchen sagt folgt.
Daß auch trotz dieser Einwände ein großes Plus bei dieser Aufnahme bleibt, ist der bewundernswerten Künstlerschaft Christoph Prégardiens und seines Begleiters Michael Gees zu verdanken.
Vergleichsinspielung: Prégardien/ Staier (BMG Ariola Classics 5472 77273-2QA)
Clemens Höslinger [21.04.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Die schöne Müllerin D 795 (Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller) |
Interpreten der Einspielung
- Christoph Prégardien (Tenor)
- Michael Gees (Klavier)