cpo 777 227-2
1 CD • 60min • 2005
21.02.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ferdinand Ries (1784-1838) beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit der Gattung Streichquartett. Seit etwa drei Jahren widmet sich nun das 1996 um den Primarius Anton Steck gegründete Schuppanzigh-Quartett dem Schaffen des Beethoven-Schülers und sorgt damit im Rahmen der Ries-Renaissance auf dem cpo-Label für spannende Neuentdeckungen. Auch auf Folge 2 ihrer Quartett-Einspielungen beeindrucken die Vier mit einem höchst expressiven und kontrastfreudigen Spiel, das ihrem Ruf als eines der führenden Streichquartette auf Originalinstrumenten mehr als gerecht wird.
Beethoven soll über Ries gesagt haben: „Er kommt mir zu nah.“ Doch die Nähe zu Beethoven und gleichzeitig Ries’ Bemühen um unverwechselbare Originalität verleihen den im Abstand von 20 Jahren entstandenen Streichquartetten G-Dur op. 70/2 und f-Moll WoO 48 eine ganz individuelle Spannung, gekennzeichnet von harmonischen und strukturellen Kühnheiten sowie kompositorischem Witz. Ries’ Stil offenbart einen spielerisch-experimentellen Umgang nicht nur mit Formprinzipien. Oder anders ausgedrückt: Erwartungen auch harmonischer Art werden immer wieder enttäuscht, selbst in dem noch stark am klassischen Modell sich orientierenden, heiteren G-Dur-Quartett. Der Wechsel von traditioneller und abweichender Behandlung beispielsweise der Periodenstruktur innerhalb der ungestümen Ecksätze dieses Werks werden vom Schuppanzigh-Quartett mit rhythmischer Prägnanz und draufgängerischem Temperament perfekt eingefangen, ebenso im volkstümlichen Scherzo das Gegenüberstellen von galanten und eruptiven Momenten oder das elegante Wechselspiel von Violinen und Cello.
Zu großer Form läuft das Ensemble im herben und dramatischen Quartett f-Moll auf, dem letzten der insgesamt 26 Streichquartette von Ferdinand Ries. Seine fünfsätzige Anlage ist ein hervorragendes Beispiel für das Experimentelle von Ries' Kompositionstechnik und Tonsprache. Der erste und zweite Satz sind attacca miteinander verbunden und widersetzen sich der Zuordnung zu einem eindeutig definierbaren Formschema. Dafür fasziniert der hervorragend disponierte Streicher-Vierer mit einer transparenten und geradezu luxuriösen Klanglichkeit sowie mit einer mustergültigen Klangbalance im Ausleuchten zahlreicher harmonischer Finessen. Auch die Sätze drei und vier sind zu einer großformalen Einheit verbunden, in der das Quartett mit fein aufeinander abgestimmtem instrumentalem Ausdruck rundum überzeugt. Nur das aufrührerische Finale steht für sich allein und erhält besonderes Gewicht durch seine Ausformung als permanente Durchführung des knapp gehaltenen motivischen Materials – beispielhaft zum Klingen gebracht vom Schuppanzigh-Quartett. Dessen unbändiger Spielwitz und überlegenes Gestaltungsvermögen zeigen den von Zeitgenossen anfangs geschätzten, bald jedoch als Nachahmer abgekanzelten und in Vergessenheit geratenen Ferdinand Ries als einen Komponisten, mit dessen eigenständiger Sprache - im Booklet übrigens minutiös analysiert – es sich unbedingt näher zu beschäftigen lohnt. Nicht zuletzt dafür eine glatte 10.
Christof Jetzschke [21.02.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ferdinand Ries | ||
1 | Streichquartett Nr. 2 G-Dur op. 70 Nr. 2 | 00:26:29 |
5 | Streichquartett Nr. 20 f-Moll WoO 48 | 00:33:39 |
Interpreten der Einspielung
- Schuppanzigh-Quartett (Ensemble)