Fuga Libera FUG525
1 CD • 53min • 2006
12.10.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ginge es nach dem (vorsichtshalber?) nicht namentlich hervortretenden Verfasser des Booklettextes, wäre Dmitri Schostakowitsch dort am größten und bedeutendsten, wo er das Menetekel des Holocaust komponiert hat. In einer Zeit, die den äußeren Phänomenen derart viel Gewicht gibt, um sie zu klingender Münze umzuprägen, weil sie noch immer nicht verstanden hat, was mit Goldmacherei wirklich gemeint ist – in einer solch vordergründig orientierten Zeit mag das vielleicht so erscheinen. Doch glücklicherweise haben bereits die Mitwirkenden dieser Aufnahme über den Tellerrand hinausgesehen, als sie das zweite Klaviertrio und die aus der Zeit der letzten Konzerte stammenden Sieben Romanzen op. 127 nach Alexander Blok interpretierten. Sie haben hörbar begriffen, welch musikalischer Gigant sich hinter den dicken Minuszylindern, hinter dem nervösen, fahrigen Gebaren und hinter der offenkundigen Angst verbarg: Dieser Schostakowitsch, das war weder ein Speichellecker noch Liebediener, kein um Anerkennung winselnder Hund, der nur unter mitleidvollsten Tränen seine Noten aufs Papier gebracht und diese mit jenen bekleckert hat. Wenn Schostakowitsch „klezmert”, wie er das ja durchaus wirkungsvoll und semantisch tiefsinnig tut, dann wird man nie den unangenehmen Eindruck des Vorwurfs haben, sondern immer spüren, daß hier nur etwas pars pro toto gemeint ist – die ganze Menschheit in den Fängen einiger weniger, die man nur spürt, nie aber sieht (selbst Stalin und sein deutscher Kumpan waren ja schließlich nur Marionetten). Und diese phänomenale Weitsicht des extrem Kurzsichtigen haben die Musiker des vorliegenden Albums in nachgerade spektakulärer Weise erfaßt. Angefangen bei der klanggewordenen „Perversion” – Cello im Flageolett, Violine als Unterstimme – und durchgehalten bis zu dem beklemmend schönen Verhauchen der Musik, präsentieren sie das Opus 67 in einem derart überragenden Nuancenreichtum, wie er mir bislang eigentlich noch nie untergekommen ist. Nichts von der politischen Schrumpfköpfigkeit, die D-S-C-H von gewissen Kreisen immer wieder gönnerhaft zugebilligt wird, nichts von irgendwelchen –tümeleien, die andere Kreise zu entdecken glauben: Bei aller Notentreue (man höre beispielsweise die phänomenal kreisenden „Drücker” im Scherzo) explodiert diese Musik von innen heraus in solcher Intensität, daß sie tatsächlich das ganze Universum zu erleuchten scheint ...
Die karge Lyrik der Romanzen mit der vorzüglichen Sopranistin Tatyana Melnychenko bildet dazu einen wunderbar komplementären Kontrast und flüchtet sich doch nicht in die larmoyante Brüchigkeit der „Altersstimme”: So ohne Gehhilfe möchte ich von den hier versammelten Musikern mehr zum Thema Schostakowitsch hören. Zum Beispiel das erste Klaviertrio op. 8, das, mir nicht ganz begreiflich, bei der knappen Spielzeit von 53 Minuten noch hätte passen müssen. Daß dieser geniale Jugendstreich weggelassen wurde, ist aber auch schon der einzige Einwand, den ich gegen die CD erheben könnte. Zum hintergründig aufgemachten Booklet ließe sich freilich noch anmerken, daß sich die leere Spalte neben den russischen Originalgesangstexten durchaus mit einer deutschen Übersetzung hätte füllen lassen.
Rasmus van Rijn [12.10.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Trio Nr. 2 e-Moll op. 67 für Violine, Violoncello und Klavier (In memoriam Iwan Sollertinski) | 00:27:14 |
5 | Sieben Romanzen op. 127 für Sopran, Violine, Violoncello und Klavier (nach Gedichten von Alexander Blok) | 00:25:53 |
Interpreten der Einspielung
- Plamena Mangova (Klavier)
- Tatyana Melnychenko (Sopran)
- Natalia Prishchepenko (Violine)
- Sebastian Klinger (Violoncello)