BIS 1638
1 CD/SACD stereo/surround • 58min • 2006
06.07.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein Konzert für Posaune zu hören ist eine Anstrengung, gleich drei Konzerte eine große! Natürlich darf so keine Rezension beginnen, wenn der großartige Christian Lindberg drei ihm gewidmete Werke dreier aufregend posaunefreundlicher Komponisten vorstellt. Am aufregendsten ist Xenakis – „dass der Höhepunkt am Anfang steht und nie endet“ formuliert der 2001 verstorbene Komponist und die eigentlich permanent dröhnend-rauschhafte, archaisch-unge(s)tüme Musik hält das Versprechen in jeder Phrase, wobei man Phrase eher im Sinne eines nordischen Gesanges von Walrössern, dem posaunend-trompetende Elephantenherden aus fernen Savannen antworten, verstehen muss, begleitet von Unwettern musikalischer Klimakatastrophen. Anstrengung! – aber die Aufregung lohnt, und inmitten der entfesselten Kräfte kommt keinen Augenblick der Verdacht einer Ohnmacht auf, die eigentlich ob der Gewalten jeden Solisten überfallen müsste, nicht jedoch Christian Lindberg.
Ganz anders, in der Differenziertheit und im musikalischen Anspruch nicht geringer eindrucksvoll ist das Konzert des 2003 verstorbenen Berio, der das Orchester, aber auch den solistischen Posaunenpart kaleidoskopartig zerlegt, wodurch sich ein musikalisch vieldimensionales Spektrum bildet, dessen Einzelheiten den Hörer stets voll in Anspruch nehmen und eine nicht minder begründete Atemlosigkeit erzeugen, die sich bis zu dem höchst wirkungsvollen, von virtuosen Posaunen-Multiphonics dominierten Schlußteil steigert. Die sehr plastisch-transparente Farbigkeit und stets etwas silber-metallisch wirkende Klanglichkeit Berios bildet einen optimalen Kontrast zur Xenakisschen Schwärze und ihren dunkel röhrenden Glissandi, die opale, lichte und feingeschliffene Helligkeit Berios zur Düsternis Xenakis’, die sich allerdings in der Intensität eines schwarzen Rohdiamanten vermittelt.
Schön, dass es dennoch hier noch einen Komponisten wie Mark-Anthony Turnage (geb.1960) gibt, denn auch die gut komponierte Berio-Xenakis-Moderne kann den Kontrast der jüngeren, durch und durch musikalisch und nicht nur klanglich gestalteten „Postmoderne“ vertragen, die sich im bezwingenden musikalischen Temperament und Rhythmus des Engländers äußert. Turnages äußerst poetische Musik wirkt wie von einer großen surreal abgedrehten Bigband-Musik durchsetzt, durchsprengt von jazzig-skurrilen Lyrismen und von Schattierungen wirklicher Emotion. Lindberg darf hier endlich Mensch sein, und das hat er wahrhaftig verdient!
Hans-Christian v. Dadelsen [06.07.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Luciano Berio | ||
1 | Solo für Posaune und Orchester | 00:20:20 |
Iannis Xenakis | ||
2 | Troorkh | 00:15:58 |
Mark-Anthony Turnage | ||
3 | Yet Another Set To | 00:20:30 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Lindberg (Posaune)
- Oslo Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Peter Rundel (Dirigent)