Passion Lieder zu Passion und Ostern
Carus 83.174
1 CD • 54min • 2006
03.05.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Kunst des Improvisierens ist aus der Klassischen Musik mittlerweile weitgehend verdrängt worden und wich größtenteils auf das Gebiet des Jazz aus. Für die Pflege der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts wirft das einige Probleme auf: Die in den Hochschulen und Konservatorien ausgebildeten Musiker haben etwa Schwierigkeiten, Kadenzen zu improvisieren und sind auf einstudierte, meist fremde Vorarbeiten angewiesen. Das ist nicht nur deshalb schade, weil hier eine lange geübte Praxis mehr oder weniger verschwunden ist, sondern hat auch Auswirkungen darauf, wie Musikausübende das musikalische Material einer bestimmten Epoche reflektieren. Und gerade in der Improvisation zeigt sich das musikalische Gemeingut einer Zeit am unbefangensten. Glücklicherweise wird das Spiel aus dem Stegreif hingegen noch im Bereich der Kirchenmusik gepflegt, wofür die vorliegende Einspielung von Kay Johannsen ein gutes Beispiel ist.
Innerhalb des Kontextes einer eigentlich lange verschwundenen Kunst sind die 21 Improvisationen des Stuttgarter Stiftskantoren über bekannte Passions- und Osterlieder durchaus eindrucksvoll. Die einzelnen Stücke sind jeweils knapp bemessen und daher stets formal stimmig, sodaß sie als vorbildliche Beispiele für spontan ausgeführte Choralvorspiele gelten können. In ihrer Gänze demonstrieren sie aber auch, daß auch dem aus dem Augenblick kommenden Musizieren ein Handwerk und damit auch wiederkehrende Muster zugrundeliegen. In vielen Fällen ist Johannsens Strategie, zunächst einen aus kleinen Spielfiguren zusammengesetzten Teppich zu weben, in welchen dann die Melodie, durch die Registrierung (Zungenstimmen und Labiale) distinkt hervorgehoben, insertiert wird. Die Harmonik ist deutlich von der modernen Unterhaltungsmusik beeinflußt, oftmals geradezu pop-artig angehaucht, wodurch im Verbund mit den rhythmischen Patterns eine Atmosphäre entsteht, die oftmals an ähnlich gelagerte Phänomene der Minimal Music erinnert.
Damit soll nicht gesagt werden, daß Johannsen selbst nach Muster improvisieren würde; die Bandbreite an Satztypen variiert stark, von Anklängen an den älteren, harmonisch reichen Barocksatz (O Traurigkeit, o Herzeleid) über Mixturen, unterlegt von einem irisierenden Diskant-Flirren (Jesu, deine Passion) hin zu maschinenartigen Repetitionen in der Paraphrase über Du großer Schmerzensmann. Diese Passions-CD ist daher ein gutes Beispiel für eine zeitgemäße und ansprechende Kirchenmusik.
Prof. Michael B. Weiß [03.05.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
trad. | ||
1 | O Mensch, bewein dein Sünde groß | |
2 | Wenn meine Sünd' mich kränken | |
3 | Christus, der uns selig macht | |
4 | Wir danken dir, Herr Jesu Christ | |
5 | Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen | |
6 | O Traurigkeit, o Herzeleid | |
7 | O Haupt voll Blut und Wunden | |
8 | O Welt, sieh hier dein Leben | |
9 | Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld | |
10 | Jesu, deine Passion | |
11 | Du großer Schmerzensmann | |
12 | Christ ist erstanden | |
13 | Heut triumphieret Gottes Sohn | |
14 | Erschienen ist der herrlich Tag | |
15 | Jesus Christus, unser Heiland, der den Tod überwand | |
16 | Mit Freuden zart zu dieser Fahrt | |
17 | Wir wollen alle fröhlich sein | |
18 | Gelobt sei Gott im höchsten Thron | |
19 | Auf, auf, mein Herz, mit Freuden | |
20 | Jesus lebt, mit ihm auch ich | |
21 | O Tod, wo ist dein Stachel nun? |
Interpreten der Einspielung
- Kay Johannsen (Orgel)