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Besprechung CD

Dietrich Buxtehude Œuvre d'orgue

Ricercar RIC 250

5 CD • 6h 01min • 2003, 2004, 2006

29.03.2007

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 6
Klangqualität:
Klangqualität: 6
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Niemand kam 2006 umhin, die das Mozart-Jahr und die damit verbundene Umtriebigkeit wahrzunehmen. Im Dietrich-Buxtehude-Jahr 2007 sieht das anders aus; wenige nehmen den 300. Todestag des norddeutschen Meisters (1637–1707) wahr, der sich am 9. Mai jährt. Das ist nicht nur historisch ungerecht, denn immerhin war Buxtehude eine der wichtigsten Bezugsfiguren für die Komponistengeneration nach ihm. Nicolaus Bruhns war sein Schüler, Mattheson, Händel und Johann Sebastian Bach statteten ihm Besuche ab, die ihm einerseits huldigen, andererseits aber auch durchaus eigennützig zur kompositorisch-interpretatorischen Weiterbildung der betreffenden Besucher selbst beitragen sollten. Darüber hinaus jedoch schadet die anhaltend stiefmütterliche Behandlung Buxtehudes dem Musikbetrieb auch, weil ein überaus ansehliches Werkkorpus ausgeklammert wird, das auf ganz singuläre Weise durch kontrapunktische Perfektion und emotionale Reinheit besticht. Wenn man lernt, Bach von Buxtehude her zu hören, kann man auch verstehen, warum Bachs manchmal überbordende kontrapunktisch-harmonische Kunst den Zeitgenossen verworren, mindestens aber kompliziert vorgekommen sein muß.

Eine so umfassende Edition wie diejenige der Orgelwerke Buxtehudes, wie sie Bernard Foccroulle auf Ricercar vorlegte, ist daher zunächst einmal wärmstens zu begrüßen. Wer sich in das fünf CDs umfassende Gesamtwerk vertieft, wird nicht nur einsamen Meisterwerken konziser Komponierkunst begegnen, sondern auch, förmlich auf Schritt und Tritt, Antizipationen von Bachs Werk. Bis in Details der Zusatzstimmenbildung etwa nimmt die Passacaglia d-Moll BuxWV 161 die Bach’sche Passacaglia c-Moll BWV 582 voraus; die Faktur der Choralvorspiele diente sicherlich in vielen Fällen als Vorbild für die großen späteren Paraphrasen Bachs, und nicht selten findet man auch nur kleine, eher unscheinbare Details vor wie den hellen Mordent des Präludiums A-Dur BuxWV 151, der dann in einer weit dramatischeren Ausprägung zu einem Ausgangspunkt von Bachs Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 werden konnte.

Man sieht: Buxtehudes Orgelwerke könnten als eine Vorausahnung der künstlerischen Potenz Johann Sebastian Bachs erscheinen. Wenn das bei dieser ansonsten lobenswert vollständigen Produktion nicht in letzter Konsequenz der Fall ist, dann liegt das an der übergroßen Vorsicht des Organisten Bernard Foccroulle. Die jüngere Interpretation von Barockmusik auf Tasteninstrumenten hat sicherlich ein wenig unter der Verzierungswut mancher Spieler gelitten; Foccroulles Lesarten verlieren jedoch umgekehrt ihrerseits nicht wenig durch seine Weigerung, dem reinen Notentext auch nur minimale Schmückungen zukommen zu lassen. Im abstrakten Notenbild sieht Buxtehudes Musik für Tasteninstrumente meist karg, geradezu unscheinbar aus; kaum kann man sich vorstellen, daß er als sein eigener Interpret nicht nach Laune und Geschmack auch seine weithin dokumentierte Virtuosität unter Beweis gestellt hätte.

Foccroulle spielt die Stücke recht gerade durch, was seine Meriten hat. Die Verlaufskurven werden organisch und angenehm natürlich entwickelt, ohne daß jemals artikulatorische Langeweile aufkäme. Wenn jedoch diejenige Nähe, die sich zwischen Buxtehude und Bach herstellen könnte, letztlich innerhalb dieser Totale doch nicht erreicht wird, liegt das an Foccroulles Temperamentarmut. Es ist nicht so, daß er zu steifleinern agieren würde – und doch könnte man sich bei fast jedem der meist kurzen Stücke einen weitaus eindringlicheren Zugriff und damit einen entschiedeneren Durchgriff auf die gesamte formale Anlage vorstellen. Auch bei Entwicklungshöhepunkten läßt jeglicher attackierende Anschlag auf sich warten; die Kulminationspunkte der Stücke verlieren somit zu viel Energie, verpuffen im schlimmsten Fall.

Diese sorgfältige und umfassende Gesamteinspielung macht zwar mit dem gesamten Buxtehude bekannt, soweit er für Orgel komponiert hat (als Zugabe locken zwei gewichtige Vokalwerke in Bearbeitung); was jedoch an ästhetischem Reiz aus diesen Kleinodien herauszuholen wäre, arbeitet diese Sammlung nicht vollständig heraus.

Prof. Michael B. Weiß [29.03.2007]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Dietrich Buxtehude
1Präludium D-Dur BuxWV 139
2Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort BuxWV 185
3Präludium g-Moll BuxWV 150
4Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn BuxWV 201
5Präludium g-Moll BuxWV 148
6Jesus Christus, unser Heiland, der den Tod überwand BuxWV 198
7Nun lob, mein Seel, den Herren BuxWV 215
8Präludium e-Moll BuxWV 143
9Ach Herr, mich armen Sünder BuxWV 178
10Präludium F-Dur BuxWV 145
11Komm, Heiliger Geist, Herre Gott BuxWV 200
12Ich dank dir, lieber Herre BuxWV 194
13Präludium D-Dur BuxWV 140
14Vater unser im Himmelreich BuxWV 219
15Präludium und Fuge g-Moll BuxWV 149
16Toccata F-Dur BuxWV 156
17Nimm von uns, Herr, du treuer Gott BuxWV 207
18Canzonetta BuxWV 171
19Nun freuet euch, lieben Christen gmein BuxWV 210 (Choralfantasie)
20Präludium G-Dur BuxWV 147
21Wie schön leuchtet der Morgenstern BuxWV 223
22Nun bitten wir den Heiligen Geist BuxWV 208
23Canzonetta in G BuxWV 172
24Ciacona e-Moll BuxWV 160
25Von Gott will ich nicht lassen BuxWV 220
26Von Gott will ich nicht lassen BuxWV 221
27Mensch, willt du leben seliglich BuxWV 206
28Präludium und Fuge fis-Moll BuxWV 146
29Präludium a-Moll BuxWV 153
30Canzona in d BuxWV 168
31Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ BuxWV 196
32Passacaglia d-Moll BuxWV 161
33Komm, Heiliger Geist, Herre Gott BuxWV 199
34Toccata d-Moll BuxWV 155
35Gelobet seist du, Jesu Christ BuxWV 188 (Choralfantasie)
36Durch Adams Fall ist ganz verderbt BuxWV 183
37Magnificat primi toni BuxWV 203
38Ein feste Burg BuxWV 184
39Herr Jesu Christ, der einig Gottes Sohn BuxWV 191
40Canzona in G BuxWV 170
41Es spricht der Unweisen Mund BuxWV 187
42Präludium C-Dur BuxWV 137
43Präludium a-Moll BuxWV 152 (quarti toni)
44Canzona in C BuxWV 166
45Herr Christ, der einig Gottes Sohn BuxWV 192
46Wär Gott nicht mit uns diese Zeit BuxWV 222
47Praeambulum in a BuxWV 158
48Ach Gott und Herr BuxWV 177
49Magnificat primi toni BuxWV 204
50Magnificat noni toni BuxWV 205
51Es ist das Heil uns kommen her BuxWV 186
52Nun lob, mein Seel, den Herren BuxWV 214
53Präludium F-Dur BuxWV 144
54Christ, unser Herr, zum Jordan kam BuxWV 180
55Lobt Gott, ihr Christen allzu gleich BuxWV 202
56Präludium in C BuxWV 138
57Gott der Vater wohn uns bei BuxWV 190
58Nun bitten wir den Heiligen Geist BuxWV 209
59Te Deum laudamus BuxWV 218
60Toccata F-Dur BuxWV 157
61Nun komm, der Heiden Heiland BuxWV 211
62Puer natus in Bethlehem BuxWV 217
63In dulci jubilo BuxWV 197
64Gelobet seist du, Jesu Christ BuxWV 189
65Der Tag der ist so freudenreich BuxWV 182
66Fuga in B BuxWV 176
67Ciacona c-Moll BuxWV 159
68Danket dem Herren BuxWV 181
69Präludium A-Dur BuxWV 151
70Herr Jesu Christ, ich weiß gar wohl BuxWV 193
71Wir danken dir, Herr Jesu Christ BuxWV 224
72Präludium und Fuge E-Dur BuxWV 141
73Nun lob, mein Seel, den Herren BuxWV 212
74Nun lob, mein Seel, den Herren BuxWV 213
75Präludium e-Moll BuxWV 142
76Fried- und Freudenreiche Hinfahrt BuxWV 76

Interpreten der Einspielung

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