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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Violin Solo Vol. 2

Renate Eggebrecht

Troubadisc TRO-SACD 01429

1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2005

06.07.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Sowohl für den Spieler als auch für den Hörer sind Violin-Recitals meist sehr intensive Erfahrungen. Das Instrument erscheint ohne Begleitung quasi nackt, wird zum einzigen Träger der Entwicklung, und offenbart auf diese Weise schonungslos auch die physisch-geräuschhaften Aspekte des streichenden Musizierens. Diese Intensität wird noch gesteigert, wenn es sich um moderne oder gar um Neue Musik handelt.

Die Violinistin Renate Eggebrecht, die auf dem Label Troubadisc mittlerweile ihr zweites Solo-Programm vorlegt, entgeht freilich der Gefahr einer Überforderung des Hörers schon durch die kluge, weil abwechslungsreiche Zusammenstellung der fünf Werke verschiedener Komponisten, sowie durch die geradezu unendliche Ausdruckspalette, mit der sie ein einziges und jeweils spezifisches Idiom für jedes dieser Stücke findet. Die Breite dieser Palette zeigt sich sehr deutlich, wenn man nur die beiden Sonaten von Erwin Schulhoff und Béla Bartók vergleicht. Schulhoff setzt seine Sonata pour violon seul aus vier sehr kurzen Sätzen zusammen, die in sich eher monochrome Charakterstücke darstellen. Auch untereinander sind sich die Abteilungen ähnlich, zum Teil durch die Verwendung von Etüdenmaterial, zum Teil auch durch die tendenziell etwas neutralen und unentschiedenen Tonreihen; Schulhoff kommt es merkbar mehr auf eine Binnendifferenzierung des Materials an als auf scharfe Kontraste. Eben diese Differenzierung nun arbeitet Eggebrecht sehr überzeugend heraus, mit tonschönem Spiel, im rechten Augenblick aber auch mit Sinn für das rauhe Moment.

Im Vergleich dazu demonstriert schon die stilisierte Ciaccona, mit der Bartók seine Solosonate eröffnet, wie ungleich stärker zielgerichtet komponiert werden kann, wenn eine wie auch immer vielschichtig gebrochene Tonalität zugelassen wird. Interessant zu hören ist nun, wie Eggebrecht hier einen viel feineren, weniger spröden, weitaus klangvolleren Ton etabliert – dies ist ein interpretatorischer Stilwechsel, der zeigt, wie bewußt die Violinistin die Stücke tonlich, artikulatorisch und gestisch je individuell disponiert. Besonders erwähnenswert ist, wie in der Fuga auch die heterogensten Violin-Effekte in die polyphone Durchführung integriert werden.

Eggebrechts Dramaturgie ist sehr geschickt: Nach dem bedeutendsten und umfangreichsten Werk, eben der Bartók-Sonate, nimmt die Informationsdichte immer mehr ab. Die Solosonate der 1969 verstorbenen Polin Grazyna Bacewicz offenbart zwar eine Fülle von Elementen: marionettentheater-artige Motorik, mikrotonales Spiel, leise, tastende Passagen, spitzt diese Fülle jedoch schließlich auf den 2. Satz zu, ein manisches, klaustrophisches perpetuum mobile, von Eggebrecht bewundernswert sauber intoniert und mit genau dosierter Intensität versehen. Der Höhepunkt an Reduktion ist mit Milhauds Sonatine pastorale op. 383 erreicht, einem winzigen dreisätzigen Werk von gerade einmal vier Minuten Dauer. Dieser Konzentration kontrastiert wiederum die Solosonate in griechischer Stimmung von Dimitri Nicolau, die Renate Eggebrecht auch gewidmet ist: ein saftiges Stück, das von Violinismen und volksmusikalischen Anspielungen geradezu strotzt. Diese griechische Sonate ist im besten Sinne musikantisch: holt sie doch in knappen 20 Minuten sehr, sehr viel von den Schönheiten hervor, die eine Interpretin wie Renate Eggebrecht künstlerisch zu bieten hat.

Prof. Michael B. Weiß [06.07.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Erwin Schulhoff
1Sonate für Violine solo (1927)
Béla Bartók
2Sonate Sz 144 für Violine solo
Grażyna Bacewicz
3Sonata für Violine solo (1958)
Darius Milhaud
4Sonatine pastorale op. 383 für Violine solo (1960)
Dimitri Nicolau
5Solo Violin Sonata in greek mood (2002)

Interpreten der Einspielung

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