Telemann Blockflöten-Werke
harmonia mundi HMC 901917
1 CD • 70min • 2005
22.05.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Titel der CD „Blockflötenwerke“ mutet ein wenig beschönigend an angesichts der Tatsache, dass neben der bekannten a-Moll-Suite und dem C-Dur-Konzert ein ganzes Drittel der Spielzeit der Ouvertüre Hamburger Ebb’ und Flut gewidmet ist, die man wahrlich nicht unter „Blockflötenwerke“ listen kann (auch wenn Telemann die Blockflöte hier als Orchesterinstrument eingesetzt hat).
Auf dem CD-Markt mangelt es derzeit wahrhaftig nicht an musikalischen Deutungen der hier eingespielten Kompositionen. Womit wir bei der Frage wären, ob der übersättigte Klassikmarkt einer weiteren Aufnahme bedarf (zumal unter dem Titel „Blockflötenwerke“ dann doch das Telemannische F-Dur-Blockflötenkonzert oder eines der wunderbaren Doppelkonzerte für Blockflöte/Fagott bzw. Blockflöte/Viola da gamba weit besser gepasst hätten).
Die Frage bleibt offen, hinterlässt die CD doch einen zwiespältigen Eindruck. Im Detail: Der schnelle Mittelteil des ersten Satzes der a-Moll-Suite gelingt den Streichern klar, brillant und virtuos, während es der Solist Maurice Steger bei den Wiederholungen etwas an Fantasie mangeln lässt. In Les Plaisirs hingegen überzeugt er durch vielfältige Artikulationsvarianten. In der Air finden sich geradezu verdächtig viele Reverenzen vor dem „Personalstil“ des schwedischen Blockflötenvirtuosen Dan Laurin: kleine Seufzer und Appoggiaturen, Trillerchen und Trilli soavi. Auch affektierte Kürzest-Staccati mit Sputato-Ansatz ergeben nicht wirklich eine persönliche Note. Das Menuett gelingt frech und frisch. Während der erste Passepied wie im Drogenrausch wirkt (weil in wahnwitzig überzogenem Tempo gespielt), fehlt der abschließenden Polonaise die gewisse, für diesen Tanz typische „Erdenschwere“. Immerhin schreibt Johann Mattheson – prominenter Zeitgenosse Telemanns und wohl einflussreichster Musiktheoretiker seiner Zeit – der Passepied sei von “… einer solchen Art der Leichtsinnigkeit, die nichts verhasstes oder missfälliges, sondern vielmehr was angenehmes an sich hat…“
Auch Stegers Auslegung des C-Dur-Konzertes vermag insgesamt nur wenig zu überzeugen. Geradezu ärgerlich der erste Satz: Stegers völlig willkürliche Artikulationen (ich bin fast geneigt, das Attribut „affig“ zu verwenden) entbehren jeglicher, für ein Allegretto charakteristischen Eleganz und legen nahe, dass es dem Solisten mehr um eitle Nabelschau als um eine dem Werk angemessene Deutung geht. Auch in den Folgesätzen wimmelt es von musikalischen Willkürlichkeiten und Fehlern: Wie schon in der a-Moll-Suite entstellt Steger klare Wechselnotenfiguren mit regelwidrigen Zweierbindungen, mehrfach spielt er statt des in der Partitur vorgeschriebenen fis3 ein f3 oder dehnt manche Passagen agogisch weit über Gebühr. Stegers Spiel wirkt „al fresco“, „aus dem Bauch heraus“. Schade, dass ein prinzipiell so fähiger Spieler wie er in dieser Aufnahme nicht zu einer rechten Balance von Bauch und Kopf finden kann.
Die abschließende Ouvertüre Hamburger Ebb’ und Flut (auch wenn ich sie, wie erwähnt, nicht explizit zu den Blockflötenwerken Telemanns zählen würde) stimmt wieder etwas versöhnlicher. Hier gelingt der Akademie für Alte Musik Berlin eine durchaus eigenständige, gültige Lesart.
Zusammenfassend kann ich diese Aufnahme nicht uneingeschränkt empfehlen, zumal es auf dem Markt meines Erachtens weitaus stimmigere und originellere Einspielungen dieser Werke gibt.
Heinz Braun † [22.05.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Philipp Telemann | ||
1 | Suite a-Moll TWV 55:a2 für Flöte, Streicher und Basso continuo (Darmstädter Ouvertüre) | |
2 | Konzert C-Dur TWV 51:C1 für Blockflöte, Streicher und Basso continuo | |
3 | Ouvertüre C-Dur TWV 55:C3 (Hamburger Ebb und Flut) |
Interpreten der Einspielung
- Maurice Steger (Blockflöte)
- Akademie für Alte Musik Berlin (Orchester)