Andrew Joy
cor à cor
edition zeitklang ez-12014
1 CD • 75min • 2003, 2004, 2005
31.10.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„zeitklang“ ist ein kompromißlos zutreffender, alle innovativen Musikfreunde zur Neugier anstachelnder Labelname. Der Produzent und Inhaber des avantgardistischen Unternehmens gehört selber zu den radikalen Neuerern der Gegenwartsmusik, weiß also genau, was er sich und seinen Kunden zumutet. Mit ihm im Bunde ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR), drittes Programm, hier repräsentiert durch Harry Vogt als Redakteur für Neue Musik und Mitproduzent der vorliegenden Werkfolge. Das Konzept ist klar: Es geht um das Experimentieren, Suchen und Finden bisher unausgeschöpfter Klangmöglichkeiten für das Horn, dessen (guter) Ruf immer noch mit der vertrauten Sphäre des romantischen Kolorits und der Jagdsignale verbunden ist.
Wichtigster Bündnispartner für das Hornprojekt beim Aufspüren der dem Horninstrument innewohnenden „zeitklänge“ ist Andrew Joy als prominenter Meisterbläser und bewährter Interpret zahlreicher Solokonzerte aller Stilrichtungen, auf CD-Einspielungen mit namhaften Dirigenten und Orchestern dokumentiert. Nun also gerät das Solohorn in die Fangnetze nicht leicht nachzuvollziehender, unkonventioneller Bläserkunst, von deren Herausforderung der australische Virtuose Andrew Joy im Beiheft seine „offene Bewunderung für die Komponisten (verrät), die mir viele neue Facetten meines Instruments offenbart haben. Die heftige und langwierige Auseinandersetzung mit den neuen spieltechnischen und musikalischen Herausforderungen, besonders mit Pröves ,Eclair’ für Horn solo, haben mein Verständnis des Hornspielens enorm bereichert".
Diese „Bereicherung“ ist es auch, zu deren fach- und sachkundigem Gelingen alle Mitwirkenden mit fundierter Kenntnis und Versenkung in die oft eigenartigen Klanggespinste der Notenvorlagen beitragen. Man ahnt und bewundert die spieltechnische Problematik einer akribisch exakt zu realisierenden Werkaufführung – ohne erkennbare Spielräume für eine eigene Interpretation – dank dem beigefügten Notenbeispiel von Pröves Eclair. Einzufordern ist aber von den Rezipienten (und Rezensenten) dieses Programmes die Bereitschaft zum Wagnis einer Exkursion zu den „weißen Flecken der neuen Musikgeschichte“, so Pröves in seinem Einführungstext. Denn weder gibt es objektive Beurteilungsmaßstäbe noch künstlerische Gesetzmäßigkeiten oder ästhetische Normen und Werte, die bei der Beurteilung der Qualitäten musikalischer Erfindung oder deren Wirkung verbindliche Aussagen ermöglichen. Noch ist alles im Fluß.
Nur soviel: Das emotionale Erlebnis der hier realisierten, von Eingeweihten als „Spektralmusik“ definierten Denk- und Schreibweise ist das „Eindringen in ungehörte Klangbereiche“ (Pröve) und (laut Gérard Grisey, dem 1998 verstorbenen Messiaen-Schüler) „die Schaffung eines Klanguniversums, in dem weitaus feinere Abstufungen als Vierteltöne vorkommen“. Für die verwendeten Interferenz- und Schwebetöne aus nicht-temperierten Tonskalen werden die aus den elektronischen Studios stammenden Spielprinzipien und Wirkungspotentiale angewendet. Dazu bilden die ausgewählten Stücke von Ligeti und Messiaen einen fast schon konventionell zu nennenden Kontrast...
Dr. Gerhard Pätzig [31.10.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
György Ligeti | ||
1 | Trio für Violine, Horn und Klavier (Hommage à Brahms) | |
Bernfried E. G. Pröve | ||
2 | Eclair | |
Olivier Messiaen | ||
3 | Interstellarer Ruf (aus: Des Canyons aux Étoiles) – Modéré | |
Gérard Grisey | ||
4 | Accords perdus (Cinq miniatures pour deux cors) | |
Giacinto Scelsi | ||
5 | Quattro pezzi für Horn | |
Olivier Messiaen | ||
6 | Thème et Variations für Violine und Klavier (1932) |
Interpreten der Einspielung
- Andrew Joy (Horn)
- James Avery (Klavier)
- Christine Chapman (Horn)
- Christian Ostertag (Violine)