Naxos 8.557770
1 CD • 77min • 2005
26.07.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Alles hat seine Zeit. Auch der richtige Augenblick für eine aufnahmetechnisch optimale Werkdokumentation. Vor genau acht Jahren (1997) konnte der Rezensent eine CD mit der Einspielung eines seinerzeit musikhistorischen Unikats anzeigen. Es handelte sich um die 53stimmige Missa solemnis des Salzburger Hofkapellmeisters Heinrich Ignaz Franz Biber aus dem Jahre 1682. Paul McCreesh wagte als Dirigent einer vokalen und instrumentalen Mammutbesetzung mit der Musica Antiqua Köln diese Produktion mit der damals neuen Aufnahmetechnik „4-D-Recording“. In einer viel neueren und viel transparenteren Klangdimension, dem „Surround Sound“, läßt jetzt Jeremy Summerly mit seiner atemberaubend glockenrein und pietätvoll historisierend singenden Oxford Camerata alle seine Konkurrenten aus der Zeit der herkömmlichen Stereophonie weit hinter sich. Zwar geht es bei den Vergleichsfassungen jetzt um ein ganz anderes, musikgeschichtlich noch älteres Sensationsstück, das mit seiner 40-Stimmigkeit als erstes den besetzungsmäßigen Olymp der anglikanischen Renaissancemusik erklommen haben dürfte.
Thomas Tallis, geboren um 1505 und 1585 gestorben, ist der angesehene und von vier englischen Thronfolgern hoch dekorierte Komponist, der sich zu dieser 40stimmigen Klangflut durch ein ebenso opulent besetztes Renommierstück seines italienischen Zeitgenossen Alessandro Striggio auf Anregung eines Gönners aus dem englischen Adel zu einem vergleichbaren Beitrag herausgefordert sah. Längst geistert natürlich diese chorische Herausforderung in Form der Tallis-Motette Spem in alium nunquam habui (Hoffnung auf niemand anders hab' ich) durch die modernen Schallplattenkataloge, deren sinnvolles Hören vor Einführung der vielkanaligen Rundumtechnik eigentlich nur bei Live-Aufführungen mit unterschiedlicher Raumverteilung der Einzelchöre möglich war. Summerly positioniert nun seine 40 Sänger – für jede Einzelstimme also einen Solisten – mit dem nötigen akustisch-visuellen Abstand nach allen Himmelsrichtungen in der Form eines Kreuzes: je zwei fünfstimmige Gruppen im Norden, Osten, Süden und Westen.
Da weder die kleinen Kapellchöre der Renaissance noch die gegenwärtige Oxford Camerata mit der erforderlichen Sängerzahl aufwarten konnten, wurden einst wie heute nur zu besonderen Anlässen alle verfügbaren Reserven geeigneter Sänger mobilisiert. Für das Oxforder Ensemble bedeutet dies die Einbeziehung ehemaliger Mitglieder, so daß das unverwechselbare, homogene „Summerly“-Klangbild gewährleistet ist. Neben dem zwölfminütigen Vorzeigestück englischer Musikgeschichte wird das vorliegende Programm mit weiteren Beiträgen aus dem geistlichen Schaffen von Thomas Tallis in der üblichen a-cappella-Chorstärke komplettiert. Entsprechend der historischen Besetzungspraxis der Sopranpartien mit Kapellknaben wird von den hier zu hörenden Chordamen ein knabenhaft-stilgetreues, vibratofreies Singen praktiziert. Allerdings darf der so erzielte abstrakte Sphärenklang in Verbindung mit den strengen Tonsatzregeln der Kirchenmusik des 16. Jahrhunderts nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Summe der vier, fünf, acht oder auch vierzig miteinander harmonierenden Stimmen ein ständiges Kreisen innerhalb schlichter Modulationen alter Kirchentonarten auslöst und immer wieder in eine meditativ-monotone Gebetshaltung einmündet. Jedoch versteht es Jeremy Summerly, dank seiner Choristenauswahl ein Höchstmaß an Wohlklang zu entfalten.
Dr. Gerhard Pätzig [26.07.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Thomas Tallis | ||
1 | Spem in alium für acht fünfstimmige Chöre a cappella | |
2 | Salve intemerata (Motette) | |
3 | Missa Salve intemerata | |
4 | With all our heart | |
5 | Discomfort them, o Lord | |
6 | I call and cry to thee, o Lord |
Interpreten der Einspielung
- Oxford Camerata (Chor)
- Jeremy Summerly (Dirigent)