dacapo 2.110402
1 DVD-Video • 1h 35min • 2002
27.07.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zu Lebzeiten ein großer Außenseiter und vor allem in seiner dänischen Heimat als Exzentriker gemieden, hat Rued Langgaard (1893-1952) posthum eine beispiellose Rehabilitation erlebt. Ein großer Teil seines gewaltigen Gesamtwerks, darunter 16 Sinfonien und die zukunftweisende Sphärenmusik, liegen mittlerweile auf CD vor. Auch seine einzige Oper Antikrist, in den 20er Jahren entstanden, wurde bereits 1980 unter Michael Schønwandt eingespielt. Auf der Bühne hatte sie allerdings bis vor kurzem keine Chance. Die Leitung des Königlichen Theaters bezeichnete sie schlichtweg als unaufführbar und erst 1999 kam am Tiroler Landestheater in Innsbruck auf Initiative des Dirigenten Niels Muus die szenische Uraufführung zustande (deren Mitschnitt bei Danacaord auf CD erhältlich ist).
Langgaard hat sich den Text zu diesem von ihm selbst als “Kirchenoper” bezeichneten Bühnenwerk auf der Grundlage eines gleichnamigen Buches von P. E. Benzon selbst geschrieben und dabei einen ungenießbaren theologisch-philosophischen Brei zusammengerührt, der die Ablehnung am Königlichen Theater teilweise verständlich macht. Doch die Musik ist erstaunlich. Da greift ein Besessener genialisch in die Tasten, verquirlt opulente Spätromantik wirkungssicher mit modernistischen Schocks.
50 Jahre nach Langgaards Tod und drei Jahre nach der Innsbrucker Premiere hat sich die Königliche Oper in Kopenhagen in Co-Produktion mit dem Dänischen Rundfunk zu einer glanzvollen Wiedergutmachung entschlossen. Die besten einheimischen Kräfte wurden aufgeboten, um dem Antikrist nachträglich zum Erfolg zu verhelfen. Der Regisseur Staffan Valdemar Holm betont den oratorischen Gestus des Stücks mit rituellen Choreographien und knapper, aber gestisch und mimisch prägnanter Zeichnung der Archetypen. Die Ausstatterin Berte Lykke Møller benutzt das Podium des Ridehuset wie einen Kirchenraum und setzt in den Kostümen starke farbliche Akzente, die durch die Lichtregie von Linus Fellbom noch verstärkt werden. Die Video-Regie tut ein übriges: Mit Kamerafahrten und Kreisschwenks, dem Wechsel von Totalen und Nahaufnahmen wird das eher statuarische Geschehen deutlich dynamisiert und es entstehen immer wieder sinnfällige, eindringliche Bilder. Von den erstklassigen Sängern prägen sich Poul Elming, Susanne Resmark, Jon Ketilsson und vor allem Camilla Nylund als Große Hure besonders ein. Die Figur des Luzifer, der in der Gestaltung von Sten Byriel zwischen Biedermann und Schmerzensmann changiert und dazwischen so tut, als ginge ihn das ganze Treiben im Grunde gar nichts an, habe ich allerdings nicht ganz begriffen. Höchstes Lob verdient das Dänische Nationalorchester unter dem Dirigenten Thomas Dausgaard, das die klangliche Apokalypse wie den endlichen Sieg des Lichts sehr intensiv vermittelt.
Ohne theologische und philosophische Vorkenntnisse ist das Stück aber auch für ein heutiges Publikum schwer nachvollziehbar, und man ist deshalb dankbar, daß das für eine DVD unüblich ausführliche Booklet zwei exzellente Essays von Bendt Viinholt Nielsen und Jørgen I. Jensen enthält, die nicht nur in das Werk einführen, sondern auch seine Voraussetzungen und Hintergründe beleuchten, dabei sinnvolle Querverbindungen etwa zu Nietzsche oder Thomas Mann (Dr. Faustus) herstellen.
Ekkehard Pluta [27.07.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Rued Langgaard | ||
1 | Antikrist |
Interpreten der Einspielung
- Sten Byriel (Luzifer)
- Anne Margrethe Dahl (Rätsel-Stimmung)
- Helene Gjerris (Echo der Rätsel-Stimmung, Eine mystische Stimme)
- Poul Elming (Das Maul, das große Worte spricht)
- Susanne Resmark (Mißmut)
- Camilla Nylund (Die große Hure)
- Jon Ketilsson (Das Tier in Scharlach)
- Johnny van Hal (Die Lüge)
- John Lundgren (Der Haß)
- Morten Suurballe (Stimme Gottes)
- Danish National Choir /DR (Chor)
- Danish National Symphony Orchestra /DR (Orchester)
- Thomas Dausgaard (Dirigent)