cpo 777 077-2
1 CD • 57min • 2004
05.07.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Aulis Sallinen (Jg. 1935) schrieb 2002/2003 für das Musikfestival im finnischen Naantali die Barabbas-Dialoge. Das knapp einstündige Werk besteht aus sieben Dialogen, wobei Sallinen den Begriff Dialog weiter fasst und als „Konversation oder verbalen Austausch“ versteht. Protagonisten seines op. 84 sind zwei dunkle Gestalten der biblischen Geschichte: Zum einen ist da Barabbas, ein Mensch, der nur kurz im Zusammenhang mit der Kreuzigung Christi auftaucht und von dem man wenig weiß – vermutlich war er nur ein gewöhnlicher Verbrecher – und der schon deshalb „ein Charakter ist, der die Fantasie anregt“ (Sallinen). Zum anderen spielt Judas eine Rolle, der Jesus-Verräter, von dem man ebenfalls wenig weiß. Die Dialoge finden zwischen Barabbas und einer Frau oder einem der Jünger, zwischen Judas und einem Jünger statt, ferner zwischen einem Mädchen und einem Jüngling, die nicht näher bezeichnet werden. In der Schlussszene sind alle Mitwirkenden versammelt.
Im Grunde genommen geht es bei diesen Dialogen aber weniger um (fiktive) Begegnungen der genannten Protagonisten als um „das Zwiegespräch mit einem Gott, der keine Antwort gibt“ (Sallinen). Dabei spielen die großen universalen Themen menschlicher Existenz eine Rolle: die Vergänglichkeit, der Tod, das Leben mit positiven wie negativen Eigenschaften: Schönheit, Liebe, Sinnlichkeit Verlorenheit und Einsamkeit. Die Texte stammen aus der Bibel, vom finnischen Schriftsteller Lassi Nummi sowie vom Komponisten.
Sallinen stellt den sechs vokalen Mitwirkenden ein aus sieben Musikern bestehendes Instrumentalensemble zur Seite, das aufgrund seiner ungewöhnlichen Besetzung mit Akkordeon, Violine, Violoncello, Flöte, Klarinette, Schlagzeug und Klavier einen besonderen Reiz hat. Ihm gelingen dabei aparte klangliche Kombinationen und Farbspiele, doch diese stehen immer im Dienst der Sache, konstituieren die Dramaturgie und sind nicht Selbstzweck.
Die Aufnahme profitiert von einem exzellenten Vokalensemble mit dem großartigen Petteri Salomaa als Barabbas, Juha Kotilainen als Judas, Riikka Rantanen als Frau und Mari Palo als Mädchen. Dem steht das von Ralf Gothoni vom Klavier aus geleitete Instrumentalensemble um nichts nach. Bessere Interpreten lassen sich kaum denken. Die ruhevollen und bewegten, die verhalten dramatischen Passagen, der oft melancholisch-traurige Ton, aber auch die Sinnlichkeit und die Farbigkeit der Klangsprache haben ihren Platz. Schließlich wird mit einer außerordentlichen Eindringlichkeit musiziert.
Die Barabbas-Dialoge changieren zwischen Liederzyklus, Kantate, Dramolett und kammermusikalisch besetztem Oratorium. Sallinen betont denn auch in seinen Erläuterungen im Booklet, er habe seinen Kopf nicht mit der Frage beschwert, was das Werk denn nun eigentlich sei: „Im besten Fall schafft sich ein Kunstwerk seine eigene Welt“.
Die Einspielung steht nicht nur musikalisch, sondern auch technisch auf höchstem Niveau. Das Klangbild ist sehr präsent und transparent, direkt und präzise. Diese Musik, die sich schon beim ersten Hören direkt erschließ und die den Hörer unmittelbar anspricht, verdient große Aufmerksamkeit.
Dr. Helge Grünewald [05.07.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Aulis Sallinen | ||
1 | Barabbas Dialogues op. 84 |
Interpreten der Einspielung
- Petteri Salomaa (Barabbas - Bariton)
- Riikka Rantanen (Die Frau - Mezzosopran)
- Juha Kotilainen (Judas - Bariton)
- Mari Palo (Das Mädchen - Sopran)
- Topi Lehtipuu (Der junge Mann - Tenor)
- Kalle Holmberg (Erzähler)
- Mika Väyrynen (Akkordeon)
- Elina Vähälä (Violine)
- Arto Noras (Violoncello)
- Ilpo Mansnerus (Flöte)
- Michel Lethiec (Klarinette)
- Ari-Pekka Mäenpää (Percussion)
- Ralf Gothóni (Klavier, Dirigent)