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1 CD • 63min • 2004
18.05.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Contra torrentem (Gegen den Strom) – dieser Titel, den Egon Wellesz (1885-1974) seiner siebten Sinfonie gab, passt gut nicht nur auf die späten, sondern überhaupt auf die Werke dieses österreichischen Komponisten. In Wien geboren, von Gustav Mahler stark beeindruckt, Musikwissenschaftsstudent beim berühmten Guido Adler, Privatschüler bei Arnold Schönberg, von dem er sich aber bald unabhängig machte, wurde Wellesz in den dreißiger Jahren viel im deutschsprachigen Raum aufgeführt. Im Londoner Exil fand er Arbeit als Musikwissenschaftler, als Komponist jedoch kein rechtes Fortkommen, und er konnte dort auch nicht an seine Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen.
Gottfried Rabl vollendet mit diesen Einspielungen der dritten und der fünften Sinfonie die Gesamtaufnahme von Wellesz’ Sinfonien. Diese Edition ist nicht hoch genug zu bewerten. In einer Zeit der oft langweiligen und größtenteils uninspirierten Programmpolitik der Tonträgerfirmen unausgetretene Pfade zu beschreiten und die Aufmerksamkeit auf einen (zu) wenig beachteten Komponisten zu lenken, ist ein Wagnis, das besondere Aufmerksamkeit verdient. Zumal man an Wellesz eine interessante Entwicklung studieren kann. In den Sinfonien Nr. 1 bis 5 tritt die große (wienerische) sinfonische Tradition zutage und macht sich gleichzeitig der Einfluss von Wellesz’ Lehrer Schönberg bemerkbar. Erst mit der sechsten Sinfonie fand der Komponist nach eigenen Worten die ihm gemäße sinfonische Sprache.
Aufschlussreich ist schon die Gegenüberstellung der beiden Werke. Die dritte Sinfonie ist frei tonal gehalten, sie zeigt Einflüsse Bruckners und des tonalen Schönberg, im Final-Allegro klingt sie recht englisch (Elgar). Der Kopfsatz (Allegro maestoso) hebt gewichtig an, ehe er in Fahrt kommt. Richtig bewegt, freilich dann schon heftig, ist überhaupt erst der dritte Satz (Allegro vivace). In der fünften Sinfonie herrscht ein anderer Ton. Geblieben ist die Vorliebe für Maestoso- oder schreitende Sätze, es dominieren Trauermarschcharaktere (Ecksätze).
All die Besonderheiten, die Kontraste, die heterogenen Elemente, die unterschiedlichen Einflüsse, die Liebe zum Detail, nicht zuletzt den eigenwilligen sinfonischen Stil der Musik von Wellesz lässt Gottfried Rabls Interpretation spüren. Auch diese Aufnahme wirbt vehement für den Sinfoniker Egon Wellesz.
Dr. Helge Grünewald [18.05.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Egon Wellesz | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 op. 68 (1949/1951) | |
2 | Sinfonie Nr. 5 op. 75 (1955/1956) |
Interpreten der Einspielung
- Radio-Symphonieorchester Wien (Orchester)
- Gottfried Rabl (Dirigent)