Carus 83.183
1 CD • 73min • 2004
18.03.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Gottfried August Homilius (1714-1785) teilt bis auf drei Jahre seine Lebensdaten mit C. Ph. E. Bach (1714-1788). Als der Absolvent der Dresdner Annenschule allerdings 1735 das Studium der Jurisprudenz an der Leipziger Universität aufnahm und sich bei Johann Sebastian Bach zur musikalischen Unterweisung einfand, war Philipp Emmanuel gerade ein Jahr zuvor an die Universität Frankfurt an der Oder gegangen, ebenfalls zum Jurastudium. Lange konnte ihn das Studentenleben freilich nicht locken, bereits 1735 ging er als Kammercembalist an den Hof des preußischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich II. „der Große“.
Homilius hielt es ebensowenig wie Philipp Emmanuel Bach bei der Juristerei – auch er wendete sich dem Musikerberuf zu: Als besonders geschätzter Schüler J. S. Bachs war er zeitweilig sogar Stellvertreter des Organisten an der Leipziger Nikolaikirche. Ab 1742 wirkte er als Organist an der Dresdner Frauenkirche. 1755 folgt die Wahl zum Kantor der Kreuzkirche und Director Musices der Stadt Dresden, diese Ämter hatte er bis zu seinem Tod inne. Über 200 Kirchenkantaten hat Homilius hinterlassen, vier von ihnen präsentiert die vorliegende CD.
Die Generation der Söhne und Schüler Johann Sebastian Bachs hat in der evangelischen Kirchenmusik einen einschneidenden Perspektivenwechsel vollzogen: Die ehernen orthodoxen Traditionen der lutherischen Überlieferung weichen einer Einstellung, die eine neue, aufklärerische Sicht von Welt und Religion reflektiert. Bis auf den heutigen Trag bestimmt diese tolerante, säkularisierte Auffassung des Glaubens das geistige Klima Europas. Die rationale Distanziertheit der neuen religiösen Haltung führte bei der geistlichen Musik dieser Epoche im Vergleich zur Inbrunst der barocken Kirchenmusik indes zu einer gewissen galant-kühlen Atmosphäre, da hilft auch alle emotionale Alchimie der neuen musikalischen Empfindsamkeit nicht. Die Kantaten von Vater Bach hingegen haben bis heute die unmittelbare Kraft ihrer Glaubensaussage bewahrt, das beweisen gerade ihre zahlreichen Aufführungen durch Kirchenchöre in Gottesdiensten. Johann Sebastian Bachs Kantatenwerk ist ein fester Teil im Leben vieler Gemeinden, und häufig orientieren sich die Aufführungen am noch heute erfahrbaren geistlichen Inhalt der Werke statt den Kathechismus der historisch informierten Aufführungspraxis zum Maßstab zu wählen. Einen ebenso festen Platz im musikalischen Alltag der Kirchengemeinden behaupten auch die geistlichen Kompositionen der Romantik mit den Werken von beispielsweise Mendelssohn, Schubert oder Brahms. Die geistliche Musik Philipp Emmanuel Bachs und von Gottfried August Homilius wird sich wohl kaum einen vergleichbaren Status im gottesdienstlichen Musikleben erobern können, dafür geht zuwenig religiöse Ausstrahlung von ihr aus.
Dennoch: Diese Werke sind musikalische Meisterleistungen ihrer Epoche und verdienen als kulturgeschichtliche Dokumente das Augenmerk, das die Musikwelt ihnen in steigenden Maß schenkt. Das zeigen nicht zuletzt die Kantaten dieser CD, in denen Homilius sich als ein verständiger Weggefährte Carl Philipp Emmanuel Bachs erweist.
Voll Stolz präsentieren die Interpreten Homilius als bedeutenden Vertreter der Musikgeschichte der Landeshauptstadt Dresden. Eine klangliche Reflexion des geistig-musikalischen Hintergrunds ist offenkundig nicht beabsichtigt, die Musik darf für sich selbst sprechen. Und so gerät diese CD dank der unbeschwerten und vorurteilsfreien Haltung der Interpreten und ihrer unleugbaren musikalischen Qualitäten zu einem überzeugenden Plädoyer für den Kreuzkantor Gottfried August Homilius.
Detmar Huchting [18.03.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gottfried August Homilius | ||
1 | Deer Herr ist Gott, der uns erleuchtet (Kantate zum Pfingstsonntag) | |
2 | Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet (Kantate zum Sonntag Exaudi) | |
3 | Heilig ist unser Gott, der Herr Gott Zebaoth (Kantate zum Sonntag Trinitatis) | |
4 | Gott fähret auf mit Jauchzen (Kantate zum Fest Christi Himmelfahrt) |
Interpreten der Einspielung
- Vasiljka Jezovsek (Sopran)
- Anne Buter (Alt)
- Hubert Nettinger (Tenor)
- Christian Hilz (Bariton)
- Dresdner Kreuzchor (Chor)
- Dresdner Barockorchester (Orchester)
- Roderich Kreile (Dirigent)