edition zeitklang ez-19017
1 CD • 53min • 2001
10.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ich gestehe, daß ich der vorliegenden Aufnahme zunächst ein wenig voreingenommen und skeptisch gegenüberstand. Die auf dem Textheft abgebildeten Partiturausschnitte ließen die in jeder Hinsicht hochkomplexe Musik eines Neutöners erwarten; und ich wage zu behaupten, daß für nicht wenige Komponisten unserer Zeit, rhythmisch teils nicht mehr bewältigbare mathematische Proportionen (um nur einen Parameter zu nennen) gleichsam als Platzhalter für ein sinnlich-emotionales Vakuum dahinter dienen. Was kompliziert ist, muss gut sein, zumindest entbehrt es scheinbar nicht einer intellektuellen Grundlage! Des Kaisers neue Kleider… honi soit qui mal y pense.
Doch wie erstaunt (und erfreut) war ich im Falle der beiden Streichquartette des 1953 in Graz geborenen Komponisten Georg Friedrich Haas, auf eine originäre, äußerst persönliche Musiksprache zu treffen, deren äußere Komplexität radikal im Dienste der emotionalen Wirkung steht. Haas arbeitet im wesentlichen mit mikrotonalen Strukturen und experimentiert mit Obertonspektren. Das 1998 vom Hagen-Quartett uraufgeführte zweite Streichquartett ist eine umfangreiche Obertonstudie, die in eine ganz eigene Klangwelt zu entführen vermag: Gedehnte Glissando-Passagen driften auseinander, um sich schließlich wieder im Unisono zu finden, irisierende, rhythmisch durchpulste, in Bewegung geratende Klangflächen wechseln mit Ricochet-Attacken.
Einen noch tieferen Eindruck hinterlässt das Erste Quartett aus dem Jahr 1997, ein Werk, das vorwiegend aus Flageolettklängen besteht. Hier gelingt es Haas wahrhaft, Innenwelten zu beleuchten. Zwar ist in seinem Quartett-Erstling eine motivische Arbeit im traditionellen Sinne nicht auszumachen, doch überzeugt das Opus durch seine kluge dramaturgische Anlage und seine absolut faszinierenden, im besten Wortsinne “unerhörten” Klangfarben und Klangkombinationen. Gegen Ende driftet die Musik mobile-artig auseinander und mündet in einen groß angelegten Glissando-Abgesang, bei dem alles quasi “in Auflösung” begriffen ist. Ein Meisterwerk und ein essentieller zeitgenössischer Beitrag zur Gattung des Streichquartetts.
Die Edition zeichnet sich durch liebevolle Sorgfalt aus: Hervorragender Klang, ausführliche, kompetente Einführungstexte in Deutsch und Englisch und Interpreten, denen die Musik ganz offensichtlich Herzensangelegenheit ist. Das Kairos-Quartett spielt Haas’ sicherlich unglaublich schwierig zu spielenden Werke mit einer faszinierenden Selbstverständlichkeit, der man allerhöchste Bewunderung zollen muss. Eine außerordentliche Platte!
Heinz Braun † [10.06.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Haas | ||
1 | Streichquartett Nr. 1 | |
2 | Streichquartett Nr. 2 op. 7 (Aus dem Affengebirge, 1925) |
Interpreten der Einspielung
- Kairos Quartett (Ensemble)