cpo 999 903-2
2 CD • 1h 52min • 2002, 2003
21.03.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wie der 20 Jahre zuvor entstandene Ferne Klang ist Schrekers Christophorus (1931) das Drama eines Musikers, in den Züge des Komponisten selbst eingeflossen sind. Der junge Anselm hat – wie seine Mitstudenten – von seinem Lehrer Johann die Aufgabe gestellt bekommen, nach der Legende des „langen Christoph“ ein Quartett in vier Sätzen zu schreiben. Er entschließt sich jedoch, den Stoff zu einer Oper zu verarbeiten, in der sich seine eigene Umgebung mit den Legendenfiguren vermischt. „Vision einer Oper“ nennt Schreker sein spätes Werk im Untertitel, und der ist zutreffend: Wir erleben Anselms Schaffensprozeß, die damit verbundenen Qualen und sein letztliches Scheitern. Am Ende gibt er den Opernplan auf und macht sich brav an das vorgegebene Quartett. Dazwischen liegen zwei Opernakte mit viel Sex & Crime, in denen sich die Grenzen zwischen Realität und schöpferischer Phantasie immer wieder verwischen.
Als Schreker Christophorus komponierte, befand er sich in einer Lebenskrise, die einmal mit dem politischen Klima des aufdämmernden Nationalsozialismus zusammenhing, zum anderen mit der Erkenntnis, aus der Mode gekommen zu sein. Den Progressiven galt er als rückständig, den Konservativen als dekadent. Die Oper spiegelt diesen Konflikt, auch musikalisch. Wie sein früherer Schüler Krenek bezieht Schreker moderne Unterhaltungsmusik in die Partitur ein, was auch dramaturgisch Sinn macht (der 2. Akt spielt in einem Vergnügungs-Etablissement), und er setzt mehr auf harmonische Innovationen als auf sensualistische Klangfarben, die den Reiz seiner früheren Werke ausmachten.
Schreker hat die Uraufführung seines Werkes nicht mehr erlebt. Sie war in Freiburg geplant und fand dort auch statt, allerdings erst 1978. Trotz großen Presse-Echos wagte sich aber keine weitere Bühne an eine szenische Realisierung. Erst ein Vierteljahrhundert später nahm die Kieler Oper die Herausforderung an und gliederte das schwierige Stück ihrem verdienstvollen Schreker-Zyklus ein. Daß diese Produktion jetzt auch als CD vorliegt, ist sehr zu begrüßen, denn sie füllt nicht nur eine Lücke und ergänzt das Bild des Komponisten, sie ist auch auf weltstädtischem Niveau realisiert worden.
Ulrich Windfuhr findet mit den Kieler Philharmonikern den spezifischen Ton für dieses Werk, indem er das schwelgerische Element zurücknimmt und die sperrigen, herben Klanggesten scharf artikuliert. Der amerikanische Tenor Robert Chafin erbringt als Anselm eine vokale und gestalterische Meisterleistung. Die Figur ist auch ohne die Szene in jedem Moment präsent. Der Bariton Jörg Sabrowski gibt seinem Freund und Gegenspieler Christoph deutliche Konturen und die Sopranistin Susanne Bernhard trifft als Lisa in Timbre und Ausdruck die im Libretto intendierte Ambivalenz von Heiliger und Hure genau. Balsamisch sonore Baßtöne bringt Hans-Georg Ahrens als Meister Johann ein.
Ekkehard Pluta [21.03.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schreker | ||
1 | Christophorus oder Die Vision einer Oper |
Interpreten der Einspielung
- Hans Georg Ahrens (Bass)
- Susanne Bernhard (Sopran)
- Jörg Sabrowski (Bariton)
- Robert Chafin (Tenor)
- Matthias Klein (Bariton)
- Bernd Gebhardt (Bariton)
- Hans-Jürgen Schöpflin (Tenor)
- Opernchor Kiel (Chor)
- Philharmonisches Orchester Kiel (Orchester)
- Ulrich Windfuhr (Dirigent)