cpo 777 058-2
2 CD • 1h 41min • 2003
21.02.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit der dreiaktigen Operette Der Zigeunerprimas, Uraufführung 1912 im (heute nicht mehr existierenden) Johann-Strauß-Theater in Wien, glückte Emmerich Kálmán der erste durchgreifende Bühnenerfolg, der ihn zum ernsthaften Konkurrenten des damaligen Operettenkönigs Lehár erhob. Lehár und Kálmán verkörpern bis zum heutigen Tag jenes musikalische Mileu, das – zumindest im Operettenreich – ein Weiterleben der alten österreichisch-ungarischen Völkerverbindung bewirkt. Das Libretto von Julius Wilhelm und Fritz Grünbaum ist mit perfekter Routine gestaltet, es gibt das obligate seriöse sowie das Buffo-Paar und als wirkungsvolle Zentralgestalt den alten Zigeunerprimas Pali Rácz. 1912 wurde diese Rolle von Alexander Girardi dargestellt, der damit einen seiner letzten Bühnentriumphe feiern konnte. Der alte Geigenkünstler, der erkennen muß, daß es mit seinem Glanz und seiner Kunst vorbei ist, der dennoch verbissen um seine Position kämpft, der schließlich resignierend seinem Tenor-Sohn Lacsi die Stradivari übergibt – das ist eine Operettenfigur, die mit allen guten Wassern der Volkskomödie getauft ist. Musikalisch hält die Operette noch nicht das Niveau der späteren Erfolgswerke wie Die Csárdásfürstin oder Gräfin Mariza, aber es gibt sozusagen „Vorausklänge“ darin: schwungvolle Lieder, melodiöse Duette und Ensembles, schmissige Walzer, alles vorhanden – aber keine Themen, die sich ins Gehör einnisten. Es ist auch kein einziger „Schlager“ aus dieser Operette Gemeingut geworden.
Der Mitschnitt einer Konzertaufführung in München, gemeinsam von cpo und dem Bayerischen Rundfunk produziert, bietet eine Kurzfassung, die auf Dialoge verzichtet und nur die Musiknummern bringt. Der Handlungsgang wird von der Schauspielerin Sunny Melles, die als Halb- oder Viertelungarin für richtige Aussprache der vielen ungarischen Namen und Wörter garantiert, mit lebhafter Theaterwirkung erzählt. Erika Lienbacher und Roberto Saccà als das ernstere, Gabriele Rossmanith und Zoran Todorovich als das heitere Paar erfreuen durch schönen Gesang und darstellerische Vitalität. Bedauerlicherweise ist mit der Besetzung der Hauptpartie ein Fauxpas passiert, was den insgesamt guten Eindruck der Aufnahme erheblich herabmindert. Man muß zwar zubilligen, daß es heute keinen Operettendarsteller von Girardi-Qualität gibt, aber so nichtssagend, wie die Rolle hier von dem Wiener Opernsänger Wolfgang Bankl vorgeführt wird, hätte das nicht ausfallen müssen. Auch vermag Bankl mit seinem unbeholfenen, knorrigen Baß sich nur mühsam in die richtige Gesangslage hineinzuzwängen (Girardi war ursprünglich Tenor, sang im Alter begreiflicherweise eine kleine Etage tiefer), vor allem macht er nichts aus der Figur, die ja allzeit im Zentrum stehen müßte. Schade! Das Münchner Rundfunkorchester unter Claus Peter Flor, die Kinder- und Erwachsenenchöre sind mit Laune und Können dabei. Nicht ganz verständlich bleibt, daß bei der Besetzung zwar sogar die Chorsolisten namentlich genannt werden, nicht aber der Solospieler, der die vielen „zigeunerischen“ Intermezzi auf der Violine mit Bravour vorträgt.
Clemens Höslinger [21.02.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Emmerich Kálmán | ||
1 | Der Zigeunerprimas |
Interpreten der Einspielung
- Edith Lienbacher (Juliska - Sopran)
- Gabriele Rossmanith (Sári - Sopran)
- Zoran Todorovich (Gaston - Tenor)
- Roberto Saccà (Laczi - Tenor)
- Kay Stiefermann (Graf Estragon - Bariton)
- Wolfgang Bankl (Pali Rácz, Zigeunerprimas - Baß)
- Kinderchor der Bayerischen Staatsoper (Chor)
- Slowakischer Philharmonischer Chor (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Claus Peter Flor (Dirigent)