Nonesuch 7559 79816 2
1 CD • 25min • 2004
12.01.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Heavy smoke“, „stand by, stand by“, ähnlich knapp formulierte originale Tonaufnahmen der New Yorker Feuerwehr, Sirenen fahrender Wagen und der musikalisch verdichtete Rauch des World Trade Centers, das war ein wesentlicher Aspekt einer Komposition, die am 11.März 1995 vom Ensemble Modern im Kölner WDR vorgestellt wurde – City Life hieß das Stück und der Komponist Steve Reich. Bezog sich Reichs Werk auf den Anschlag vom 26.2.1993, so ist das hier vorliegende Werk dem Gedächtnis der Opfer des 11.9. gewidmet. Die Größenordnung dieses zweiten Anschlag und die historische Dimension des Sachverhalts zwingt den Komponisten zu würdiger Zurückhaltung, aber John Adams nimmt hier doch auch einige Verfahrensweisen Reichs auf: er beginnt mit einer Sound-Collage, und aus dem Wort „missing“ baut sich vorsichtig ein Puls auf. Es werden Namen verlesen, und der Chor tastet sich bruchstückhaft an mögliche gesangliche Formen von Erinnerung „re-mem – re –mem – re – member...“.
Adams’ Gedenken bleibt in jeder Nuance unpathetisch und in diesem Sinne angemessen, aber auch eigenartig uninspiriert. Es scheint, als ob dieser einfallsreiche, in seiner immer wieder originellen Nähe zu Pop, Rock und Filmmusik höchst amüsante und unkonventionelle Komponist angesichts der unlösbaren Aufgabe einer Komposition zum 11. September einfach das bleibt, was ja auch verständlich ist: sprachlos. Er liefert eine durchaus ernsthafte und gewiß würdevolle Montage, wobei dem unbeantworteten Trompetenruf von Ives (The Unanswered Question) eine zentrale Rolle zukommt. Die wenigen eigenen musikalischen Ideen der Komposition allerdings sind Konventionen gemäßigter Avantgarde, also einer Stilistik, zu der gerade Adams in wohltuender Distanz stand. Die Schnelle der Komposition und der geringe Abstand von nur einem Jahr scheinen hier keine Voraussetzung für ein wirklich überzeugendes Werk – musikgeschichtlich ein nicht ganz unbekanntes Phänomen.
Steve Reichs Komposition Different Trains, der wohl historisch intensivste und ernsthafteste Versuch, die Todeszüge nach Auschwitz künstlerisch zu thematisieren, entstand 1988, also rund 44 Jahre später. Angesichts des Niveaus dieses ebenfalls von Nonesuch veröffentlichten Reich-Werks wirkt Adams’ Transmigration of Souls doch recht blaß, dabei auch aufgebläht und monströs. Die Interpretation mag im Sinne des Komponisten sein, peinlich aber ist der pompöse Beitext, in dem Adams pathetisch hochstilisiert wird, und peinlich ist es auch, für magere 25 Minuten Musik eine CD zu präsentieren. Die künstlerische historische Resonanz des 11. September wird noch lange auf sich warten lassen.
Hans-Christian v. Dadelsen [12.01.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
John Adams | ||
1 | On the Transmigration of Souls |
Interpreten der Einspielung
- New York Choral Artists (Chor)
- Brooklyn Youth Chorus (Chor)
- New York Philharmonic (Orchester)
- Lorin Maazel (Dirigent)