DG 00289 474 5152
1 CD • 59min • 2003
18.11.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Meine Aufführungen zeitgenössischer Musik haben die Art, wie ich Tschaikowskys Konzert spiele, unendlich bereichert,” schreibt die Solistin im vorliegenden Booklet. Und prompt stellt sich uns ein ganzes Sortiment drängender Fragen, wobei sich das cui bono auch ohne nähere Auseinandersetzung mit der Interpretation entdecken läßt. Nehmen wir dann aber die obige Anmerkung als Leitlinie dessen, was uns hier in 35 Minuten moderner Musikausübung begegnet, so ist nur zu folgern: 1. daß die Neue Musik allen anderslautenden Behauptungen zum Trotze das künstlerische Ungefähr fördert; 2. daß alle bisherigen Bemühungen, Tschaikowsky aus der Bonbonniere plombenziehender Toffees herauszuholen, für die Katz’ gewesen sind; 3. daß es in der Partitur des Violinkonzerts die ersten Hinweise auf begrenzte Aleatorik geben muß, die eigentlich immer als Erfindung des späteren 20. Jahrhunderts galt.
Dabei wäre ja gegen die subjektive oder subjektivistische Sichtweise gar nichts einzuwenden, wenn sie nur in sich stimmte. Doch wo Tschaikowsky schon mit dem ersten Soloeinsatz so zuckersüß aufgetragen wird wie hier, indessen viele der vorgeschriebenen Tempowechsel nur vordergründig ausgeführt und nicht wirklich organisch ausgelebt sind; wo die Gefahrenpunkte zwischen virtuosem Passagenwerk und motivisch-thematischen Anschlüssen zu echten Sollbruchstellen erweitert werden; und wo vor dem Hintergrund eines weder besonders gut noch engagiert klingenden Orchesters der Beweis geführt werden soll, daß der Komponist unzählige Rubatomöglichkeiten ganz einfach übersehen hat – da betritt man jenen Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem anscheinend auch das beiliegende Bilderbuch hergestellt wurde. Nicht unterschlagen sei freilich, daß technischerseits alles dem Niveau eines Live-Konzerts entspricht und daß es im Finale gelegentlich recht peppig zugeht. Doch da ist es dann schon zu spät ...
Wer nun aber glaubt, daß der Mitschnitt aus dem Wiener Konzerthaus vielleicht ein nicht ganz gelungener Schnappschuß gewesen sei, der wird bei Anhörung des zweiten Opus 35 umdenken müssen. Denn auch bei der Londoner Studioproduktion herrscht eine gewisse laxe Haltung, ein recht vernehmliches Vergnügen daran, Erich Wolfgang Korngold aus der Sicht der alten Vorurteile, mithin weite Strecken seines Violinkonzerts wie eine bessere Filmmusik zu exekutieren. Und doch bewahrt diese Aufnahme die CD vor dem völligen Abseits – was natürlich in erster Linie der erstaunlichen Toleranzbreite der robusten, oft kernigen Musik zuzuschreiben ist: Das süffige Solo der beiden ersten Sätze verträgt eine gewisse caféhausgeigerische Laszivität, ohne daß es echten Schaden nimmt, und da die funkelnd-virtuosen Kontraste ziemlich genau auf den Punkt kommen, wird man mit der Einspielung recht gut leben können, wenn einen der im Kopfsatz ein wenig dünne Geigenton und das im Finale etwas muskelschwache, zu sehr im Hintergrund stehende Orchester nicht wirklich stört.
Rasmus van Rijn [18.11.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Peter Tschaikowsky | ||
1 | Konzert D-Dur op. 35 für Violine und Orchester | |
Erich Wolfgang Korngold | ||
2 | Konzert D-Dur op. 35 für Violine und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Anne-Sophie Mutter (Violine)
- London Symphony Orchestra (Orchester)
- Sir André Previn (Dirigent)